Digitalisierung: Chancen und Risiken für schwerbehinderte Beschäftigte

Interview mit Dr. Sandra Saeed

Die IG BCE in Berlin-Mark Brandenburg hat ein neues Projekt in Zusammenarbeit mit der Beratungsgesellschaft PCG – Project Consult GmbH gestartet. Untersucht werden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gruppe der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten am Beispiel der chemischen Industrie. Dr. Sandra Saeed ist die Projektleiterin seitens der PCG. Ein Interview über die Projektvorhaben und erste Erkenntnisse.

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Liebe Sandra, mit dem neuen Projekt untersucht Ihr die Auswirkungen der Digitalisierung auf schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte. Seid Ihr damit Vorreiter?

Wir sind zumindest ganz vorne dabei. Das Thema „Digitalisierung“ gehört zu den wichtigen Zukunftsthemen. Auch der Bezirk Berlin-Mark Brandenburg der IG BCE, im Projekt vertreten durch Elke Swolinski, hat es als eines seiner Schwerpunktthemen auf die Agenda gesetzt. Gewerkschaften und Betriebsräte betrachten es aber vor allem mit dem Fokus auf „Mitbestimmung und Arbeit 4.0“. Was noch wenig in der Debatte ist, sind die Auswirkungen auf verschiedene Zielgruppen. Die Digitalisierung wirkt zum Beispiel unterschiedlich auf Arbeitsplätze von Frauen und Männern – und eben auch auf die Arbeitsplätze von Beschäftigten mit einer Schwerbehinderung.

Das Projekt ist am 1. März gestartet. Gibt es schon erste Erkenntnisse?

Es zeigt sich, dass die Behinderungen aufgrund von psychischen Erkrankungen zunehmen, oft sogar durch die Digitalisierung hervorgerufen. Stichworte: Arbeitsverdichtung und Informationsflut. Das wird uns in Zukunft noch stärker beschäftigten. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass für Kolleginnen und Kollegen mit einem Grad der Behinderung, die schon in den Betrieben sind, vieles möglich gemacht wird. Digitale Assistenzsysteme können die Beschäftigungsfähigkeit erhöhen – das ist ein sehr positiver Effekt. Die Schwierigkeit liegt bei der Einstellung oder beim Einstieg in eine Ausbildung. Hier kommen schwerbehinderte Menschen oft nicht zum Zug. Das zu verändern und zu verbessern ist einer der Ansätze für unser Projekt.

Wie geht Ihr dafür vor?

Wir sind mit einer Literatur- und Quellenrecherche zu Unterstützungsangeboten für Betriebe und Beschäftigte, Ansprechpartner*innen in den verschiedenen Institutionen und weiteren verfügbaren Informationen gestartet. Im zweiten Schritt führen wir Interviews mit Schwerbehinderten-Vertrauenspersonen, der Bundesanstalt für Arbeit oder auch den Expert*innen vom vielbeachteten Projekt „WayIn“ ( http://www.wayin-inklusion.de/ ) durch. Diese Interviews werten wir nun aus. Das Projekt läuft über den Zeitraum von einem Jahr. Am Ende wollen wir ein Online-Tool erstellen, in dem wir alle Informationen und Beispiele guter Praxis gebündelt zur Verfügung stellen. Das geben wir dann den Schwerbehindertenvertrauenspersonen und Betriebsräten an die Hand. Wir wollen sie stärken, ihre schwerbehinderten und gleichgestellten Kolleginnen und Kollegen in der sich verändernden Arbeitswelt besser zu vertreten. Ein Bereich im Online-Tool werden zum Beispiel die Fördermöglichkeiten bei der Einstellung von Menschen mit Schwerbehinderung sein. Unser Anspruch ist, eine möglichst breite Übersicht zu bieten. Damit liefern wir nicht zuletzt gute Argumente für die Gespräche mit dem Arbeitgeber.

Ihr untersucht mit Eurem Projekt die Auswirkungen der Digitalisierung für schwerbehinderte Beschäftigte in der chemischen Industrie. Warum nur diese Branche – und können auch Kolleginnen und Kollegen in anderen Industriezweigen von Euren Ergebnissen profitieren?

Wir möchten unsere Unterstützungsangebote möglichst konkret und fokussiert zur Verfügung stellen. Im Bezirk Berlin-Mark Brandenburg gibt es viele Betriebe der chemischen Industrie und das ist einer der Gründe, warum wir uns zunächst auf diese Branche konzentrieren. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass viel von den Ergebnissen auch auf andere Branchen übertragbar sein wird.

Interview: Susanne Schneider-Kettelför