Bergbau

Heimat der Kumpelkultur

Große Tradition, harte Arbeit, tolle Gemeinschaft: Der Bergbau – ob unter oder über Tage – hat seine eigenen Gesetze. Die Menschen, die hier arbeiten, müssen sich aufeinander verlassen können. Deshalb ist der Einsatz füreinander seit jeher groß. Das gilt nicht nur tagtäglich im Job, sondern auch in der Gewerkschaft.

Firstanker Bohrwagen

Mit dem Firstanker-Bohrwagen werden 1,2 Meter lange Gewindestangen in die Decken der Grubenbaue gesetzt. Sie verbinden die Salzschichten miteinander und geben ihnen so mehr Festigkeit.

Foto: © K+S-Gruppe

BRAUNKOHLE

Braunkohle ist bis heute ein zentraler Baustein der heimischen Energieversorgung. Mehr als 20.000 Menschen arbeiten in den Tagebauen und Kraftwerken im Rheinland und in Ostdeutschland, um Deutschland mit sicherem, jederzeit verfügbarem Strom zu versorgen. Mehr als 166 Millionen Tonnen wurden allein im vergangenen Jahr gefördert. Weitere gut 50.000 Jobs hängen von dieser Branche ab.

Die Bundespolitik hat sich gleichwohl entschieden, die Förderung und Verbrennung von Braunkohle zur Energieerzeugung vorzeitig zu beenden. Eine Regierungskommission hat dazu Anfang 2019 einen umfassenden Pfad skizziert, der nun politisch umgesetzt werden muss. Er sieht das Ende der Förderung 2038 vor. Die IGBCE hat sich hier gemeinsam mit DGB und Ver.di aktiv eingebracht, um eine sozial, wirtschaftlich und energiepolitisch ausgewogene Lösung herbeizuführen.

Im Kompromiss sind wesentliche IGBCE-Forderungen berücksichtigt worden. Er bringt ein engmaschiges Sicherheitsnetz und Perspektiven für die Kumpel, ihre Familien, für die Regionen. Besonders wichtig: Es gibt keinen automatischen Ausstieg aus der Braunkohle, es gibt keine Abschalt-Automatik. Sondern: Die erneuerbaren Energien, der Staat – sie müssen liefern, Ausbauziele bei Wind, Solar und Netzen erreichen.

Deshalb beinhaltet der Konsens sogenannte Haltepunkte. Alle paar Jahre überprüfen Experten die Fortschritte zum Beispiel beim Ausbau der Netze oder bei den Investitionen für den Wandel in den betroffenen Regionen. Nur wenn Zwischenziele erreicht sind, kann Kohle-Strom vom Netz genommen werden.

Die Beschäftigten bekommen Klarheit: Jeder Einzelne erhält eine Lösung. Die IGBCE hat in der Kommission unter anderem ein Anpassungsgeld für Ältere und Hilfen für Jüngere bei der Suche nach neuen Jobs ausgehandelt. Ein umfassendes Paket, das über die volle Laufzeit der Kraftwerkschließungen zum Tragen kommt. Die wesentlichen Punkte:

  • Keine betrieblichen Kündigungen in Kraftwerken und Tagebauen
  • Sicherung von Beschäftigungsqualität und Einkommensniveau
  • Vermittlung in neue Arbeit und gegebenenfalls Ausgleich von Lohneinbußen
  • Vorruhestandsregelung für Ältere unter Ausgleich von Rentenabschlägen.
  • Staatliches Anpassungsgeld zur Überbrückung bis zum vorzeitigen Renteneintritt.

Bis 2023 sollen 12,5 Gigawatt Kohle-Kraftwerksleistung vom Netz genommen werden. Das entspricht der gesamten Kraftwerksleistung Dänemarks. Darunter sind gut 6 GW, deren Abschaltung schon vor dem Kompromiss feststand. Bis 2030 bleiben höchstens 17 Gigawatt Kohle-Kraftwerkleistung  am Markt, etwa die Hälfte der Kapazitäten von 2017. Einige Kohlekraftwerke, die Strom und Wärme erzeugen (KWK), sollen zu Gaskraftwerken umgerüstet werden.

Ein ab 2023 zu erwartender Anstieg der Strompreise muss sozial- und wirtschaftsverträglich gemanagt werden. Regelmäßig wird überprüft, wie sich die Entwicklung von Strompreisen auf Industriearbeitsplätze und die privaten Haushalte auswirkt, dabei muss die Bundesregierung für einen Ausgleich sorgen, damit Arbeitsplätze in der Industrie nicht gefährdet und private Haushalte nicht überfordert werden. Der Staat muss den ab 2023 zu erwartenden Strompreisanstieg dämpfen, aus heutiger Sicht durch einen Zuschuss von mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr.

STEINKOHLE

Mit einer letzten symbolischen Förderung in der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop hat sich Deutschland Ende 2018 nach mehr als 200 Jahren vom industriellen Steinkohlenbergbau verabschiedet. Während der zentralen Abschiedsveranstaltung übergaben die Bergleute das letzte Stück Steinkohle aus der Schachtanlage an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

„Mit der Schließung der letzten Zeche ist eine industrielle Ära zu Ende gegangen, die Deutschland und speziell das Ruhrgebiet tief geprägt hat“, sagt Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IGBCE. „Wir verabschieden uns von einer Industrie, die Deutschland stark und reich gemacht hat – und das nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell, charakterlich und gesellschaftlich.“

Vor allem die große Solidarität und das Miteinander der Bergleute seien legendär – nicht nur bei der Arbeit vor Kohle, sondern auch mit Blick auf das Zusammenleben über Tage. In unserer auseinanderdriftenden Gesellschaft müssten alle gesellschaftlichen Akteure für diese Tugenden stärker einstehen denn je, forderte Vassiliadis. „Dieses Land braucht wieder mehr Kumpelkultur!“

Das Ende des Steinkohlenbergbaus stellt auch für die IGBCE einen historischen Einschnitt dar. Innerhalb von 60 Jahren sind in Deutschland 600.000 Arbeitsplätze im Steinkohlenbergbau verloren gegangen. Schon vor gut einem Jahrzehnt hatten Gewerkschaft, Politik und Unternehmen das Ende der Steinkohlenförderung eingeleitet. Dabei stellte der Strukturwandel nicht nur die betroffenen Regionen vor enorme Herausforderungen.

Vassiliadis: „Das Ende des Steinkohlenbergbaus trifft besonders die Menschen immer noch hart, die sich für eine sichere Energieversorgung Deutschlands jahrzehntelang krumm gemacht haben. Wir haben als IGBCE dafür gesorgt, dass niemand ins Bergfreie gefallen ist. Das war ein gewaltiger Kraftakt, aber auch eine soziale Errungenschaft, die nicht hoch genug geschätzt werden kann.“

Die IGBCE und ihre Vorgängergewerkschaften haben einen großen Anteil daran, dass der gewaltige Personalabbau im Bergbau sozialverträglich gestaltet werden konnte. Dieser Prozess bedurfte vor allem in den vergangenen 25 Jahren einer großen personal- und tarifpolitischen Kreativität. Ein sinkendes Arbeitsvolumen auf mehr Schultern zu verteilen, Zechenschließung um Zechenschließung personell abzufedern, waren gewaltige Herausforderungen. Diese haben auch die Tarifpolitik geprägt. Beispielsweise sind innovative Tarifverträge zu Teilzeitarbeit oder die frühe Einführung von Langzeitkonten tarifpolitische Antworten auf den Anpassungsprozess. Heute ist der Personalabbau weitgehend bewältigt, viele Bergleute arbeiten in anderen Jobs.

SALZ- UND NICHTKOHLENBERGBAU

Im deutschen Kali- und Steinsalzbergbau arbeiten rund 10.000 Menschen. Das Geschäft ist vergleichsweise krisensicher: Salz braucht es im Winter, um die Sicherheit auf Straßen zu gewährleisten. Und Düngemittel sorgen für steigende Erträge auf begrenzten Anbauflächen.

Der zurzeit zweitgrößte Bergbau in Deutschland nach der Braunkohle ist der Bergbau auf Kali und Steinsalze. Aus den Kalirohsalzen entstehen wichtige Kalium- und Magnesiumdüngemittel für die Landwirtschaft.

Mit steigender Weltbevölkerung wächst der Bedarf an Nahrungsmitteln. Bei begrenzt zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Anbauflächen ist nur mit einer ausreichenden Düngung der Böden eine höhere Nahrungsmittelproduktion möglich. Damit leistet der Kalibergbau einen wichtigen Beitrag zur Lösung der internationalen Lebensmittelversorgung.

Der Salzbergbau in Deutschland gewinnt den wichtigen Grundstoff Natriumchlorid (Kochsalz) aus Steinsalz, Salzsole, Siedesalz und Meersalz (außerhalb Europas). Neben dem Hauptrohstoff für Industrie, Gewerbe, Winterdienst, Ernährung und Gesundheit gibt es weitere mehr als hundert Verwendungsmöglichkeiten für Salz. Die Verkaufssegmente sind Speise-, Gewerbe-, Auftau- und Industriesalz. Die wichtigsten Salzproduzenten in Deutschland sind Esco, SWS / Südsalz, Wacker Chemie / Salzbergwerk Stetten sowie einige Salinen. Deren „Absatz-Hochs“ sind – natürlich witterungsbedingt – im Winter.

Die Versorgung mit mineralischen Rohstoffen aus dem weiteren Nichtkohlenbergbau ist eine wesentliche Voraussetzung für industrielle Produktionen am Standort Deutschland. Dies gilt für Menge, Preis und Qualität.

Die mit der Erkundung, Genehmigung, Planung und dem Betrieb bei der Rohstoffgewinnung zusammenhängenden hohen Vorlaufinvestitionen bedürfen der Planungs- und Rechtssicherheit. Zahlreiche Vorschriften und Gesetze zwingen den Rohstoffabbau in Deutschland in ein enges Korsett (beispielhaft seien genannt: Bundesberggesetz, Raumordnungsgesetz, Bundesbaugesetzbuch, Lagerstättengesetz, Wasserhaushaltsgesetz, Bundesimmissionsgesetz) – von umfangreichen Umwelt-Vorschriften und EU-Vorgaben ganz zu schweigen.

Länderspezifisch gibt es darüber hinaus verschiedene Abwägungskriterien und unterschiedliche Laufzeiten in den für die Rohstoffsicherung wichtigen Regionalplänen. Teilweise treten durch konkurrierende Planung von Land und Kommunen erhebliche Schwierigkeiten bei der Nutzung von Lagerstätten auf.

Zusammen mit der Hans-Böckler-Stiftung hat die IGBCE die Studie „Die aktuelle Lage der rohstoffgewinnenden Industrie in Deutschland“ initiiert. Diese Untersuchung wird im Oktober/November 2015 abgeschlossen werden. Erste Ergebnisse liegen vor und weisen einen Beschäftigungseffekt (Ø 2008-2013) von gut 270.000 Arbeitsplätzen auf.