Grünbuch

Unterwegs Richtung Zukunft

Die IG BCE will ihre Handlungskraft auch im kommenden Jahrzehnt für die Gestaltung des Transformationsprozesses und für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Inhaltlicher Leitfaden soll das Grünbuch "Perspektiven 2030+" sein.

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Manchmal wäre eine Glaskugel schon praktisch. Diese erlaubt – glaubt man den einschlägigen Märchen und Sagen – kundigen Geistern einen Blick in die Zukunft. Mit Hellsehen und Magie ist es aber angesichts der anstehenden gewaltigen Transformationsherausforderungen für Industrie und Gesellschaft nicht getan. Die IG BCE wollte es genauer wissen und hat in einem aufwendigen Beteiligungsprozess vier Zukunftsszenarien und mögliche Handlungsoptionen definiert, die als inhaltlicher Leitfaden für die Gestaltung der gewerkschaftlichen Arbeit der anstehenden Dekade dienen sollen. Das daraus jetzt entstandene Grünbuch »Perspektiven 2030+« bildet den Ideenpool für den Weg zum 7. Ordentlichen Gewerkschaftskongress der IG BCE vom 24. bis 29. Oktober 2021, auf den sich die Gewerkschaft in den kommenden Monaten mit 50 regionalen Delegiertenkonferenzen begibt. »Mit.Mut.Machen« lautet das Motto.

Die vier Szenarien decken die Bandbreite der möglichen Rahmenbedingungen der kommenden zehn Jahre ab. Das Zukunftsbild »Unter Druck« geht von einer fortschreitenden Globalisierung mit weiter wachsendem Konkurrenz- und Verlagerungsdruck aus, die Variante »Smartes Wachstum« von einem Deutschland, das seine Wachstumschancen in der sozio-ökologischen Wende erfolgreich ausnutzt. Im Szenario »Neuland« setzt die Politik mit immer schärferen Regulierungsvorhaben den Klimaschutz auf Kosten von Produktion und Beschäftigung durch, während im »Tohuwabohu« das Land in ökonomischer und ökologischer Konfrontation erstickt und Polarisierung und Rechtspopulismus die demokratische Kultur beschädigen.

Die Herausforderungen der künftigen Gewerkschaftsarbeit liegen damit unter anderem in der seit Jahren sinkenden Tarifbindung, wachsendem Druck auf den Flächentarif und einem stark erhöhten und durch die Corona-Pandemie zusätzlich befeuerten Transformationstempo. Die IG BCE will sich mit ihrem Zukunftsprozess diesem Spannungsfeld stellen und konkrete Maßnahmen entwickeln, um weiterhin gestaltungsfähig zu bleiben.

Gewerkschaftliche Ideen modernisieren

Doch wie lassen sich gewerkschaftliche Ideen und Konzepte entstauben und modernisieren, ohne dass die Kernbotschaften Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Ausgleich verloren gehen?  Vor allem, so die Schlussfolgerung im Grünbuch, ist es notwendig, die Ressourcen und Strukturen der Organisation auf die strategischen Schwerpunkte auszurichten – also die Kompetenz in den Handlungsfeldern Politik, Transformation, Mitbestimmung, Tarife und Service zu stärken und auszubauen.

Ganz praktisch bedeutet das beispielsweise, die Zusammenarbeit mit den Schwestergewerkschaften innerhalb der DGB-Familie zu intensivieren, um gewerkschaftliche Projekte von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung besser vorantreiben zu können – wie die Stärkung der Tarifbindung sowie die Ausweitung und Modernisierung der Mitbestimmung. Beide Punkte sind als wichtiges Zielvorhaben im Grünbuch definiert, denn nur mit einer starken Tarifbindung und Mitbestimmung auf Augenhöhe können Arbeitnehmervertreter*innen konkret Einfluss nehmen auf Entscheidungs- und Veränderungsprozesse in Unternehmen. Ein erster Impuls in dieser Richtung ist bereits gesetzt durch die vom IG-BCE-Chef angestoßene Mitbestimmungsinitiative: Ziel des Konzeptes ist unter anderem, die gegenwärtige Übermacht der Kapitalseite in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen zu brechen. So sollen Belegschaftsvertreter*innen im Fall eines Konflikts zwischen Kapital- und Arbeitnehmer*innenbank in Fragen von Werksschließungen, Massenentlassungen oder Verlagerungen ins Ausland die Interessen der Beschäftigten wirksamer als bisher schützen können.

Die IG BCE wird zudem das Thema Mitgliedergewinnung weiter intensivieren. Dazu sollen neue Branchen – etwa Biotech oder erneuerbare Energien – gewerkschaftlich erschlossen werden. Mit einem verbesserten und passgenaueren Service-Angebot dürfte es zudem besser gelingen, die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft noch mehr Beschäftigten schmackhaft zu machen. So wird auch der Ausbau des bisher nur beschränkt möglichen Mitgliederbonus in der Tarifpolitik thematisiert, der den Mitgliedern konkrete Vorteile gegenüber Nicht-Mitgliedern bringt – ein überzeugendes Argument, um Beschäftigte zum Eintritt zu bewegen.

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