Gesellschaft

Gender Pay Day - In einem Land vor unserer Zeit

Frauen verdienen in Niedersachsen 19 Prozent weniger als Männer. Bis zum heutigen Equal Pay Day haben sie symbolisch umsonst gearbeitet. Ein Unding im 21. Jahrhundert! Es müssen endlich die strukturellen Ursachen behoben werden, wie mangelnde Tarifbindung, Ungleichverteilung von Sorgearbeit und die schlechte Bezahlung in frauendominierten Berufen, fordert das #schlaglicht 09/2021 des DGB´s Niedersachsen-Bremen-Sachsen Anhalt.

Frauen
Foto: © IG BCE

Seit einem Jahr gibt Corona den Takt vor. Besonders stressig war und ist es für Eltern. Geschlossene Kitas und Schulen haben ihre Tagesabläufe völlig auf den Kopf gestellt. Die Lasten sind allerdings ungleich verteilt. Frage: An wem hängt die Kinderbetreuung überwiegend? Trommelwirbel: Richtig, Frauen! Bis heute haben sie pandemiebedingt für den Nachwuchs eher ihre Erwerbsarbeit reduziert. Eine durchaus rationale Entscheidung. Oft beziehen Frauen ein geringeres Einkommen als ihr Partner. Dessen Verzicht hätte also ein größeres Loch in die Haushaltskasse gerissen.

Frauen arbeiten 69 Tage ohne Lohn

Und genau das ist der Punkt: Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist enorm. Statistisch haben weibliche Beschäftigte bis zum 10. März diesen Jahres – dem Equal Pay Day – umsonst gearbeitet. Das sind 69 Tage oder 1.656 Stunden oder 99.360 Minuten. Zwar ist der niedersächsische Gender Pay Gap mit nun 19 Prozent leicht rückläufig. Jedoch wurde durch die Krise die Entgeltentwicklung von Männern durch Kurzarbeit stärker ausgebremst. Der Abstand zwischen den Geschlechtern bleibt im 21. Jahrhundert ein Armutszeugnis. Man kommt sich vor wie in einem Land vor unserer Zeit!

Riesige Lohnlücke zwischen den Geschlechtern

Zurzeit verdienen Frauen in Niedersachsen im Schnitt über 4 Euro brutto pro Stunde weniger. Von einer großen Aufholjagd kann in den letzten Jahren keine Rede sein (siehe Grafik). Die Verdienststrukturerhebung 2018 zeigt, dass sich das Lohngefälle trotz erheblicher Spannbreiten quer durch alle Berufe zieht. Vom medizinischen Bereich, über die Steuerberatung und den Vertrieb bis hin zu den Gaststätten.

Die Gründe für den allgemeinen Verdienstrückstand sind strukturelle Nachteile. Frauen leisten weiterhin das Gros der Haus- und Familienarbeit. Das Resultat sind Erwerbsbrüche, durch die viele mit Teilzeitarbeit und prekären Minijobs vorliebnehmen müssen. Ebenso wird in Branchen mit hohem Frauenanteil, obwohl sie als systemrelevant gelten, deutlich schlechter bezahlt. Aber selbst bei gleicher Qualifikation und Berufserfahrung bekommen weibliche Beschäftigte oft weniger Geld. Sowas nennt sich Diskriminierung.

Tarifverträge schließen die Kluft

Ein zentraler Baustein für gleiche Entgelte sind Tarifverträge. Sie geben eine klare und transparente Struktur vor. Mit Tarifverträgen fällt die Kluft zwischen Frauen und Männern um durchschnittlich 10 Prozent geringer aus. Weibliche Beschäftigte, die tariflich bezahlt werden, erhalten fast ein Viertel mehr Gehalt als in Betrieben ohne Tarifvertrag. Bei tarifflüchtigen Arbeitgebern handelt es sich insofern um wahre Gendersaurier – einfach aus der Zeit gefallen. Sie bereichern sich auf dem Rücken der Frauen.Gleicher Lohn ab der ersten Sekunde!

Klar ist: Der Gender Pay Gap muss schnell geschlossen werden. Trippelschritte reichen nicht. Neben der Aufwertung frauendominierter Berufe ist dafür die Tarifbindung zu stärken. Minijobs müssen voll sozialversicherungspflichtig sein. Um eine geschlechtergerechte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zu ermöglichen, bedarf es des Ausbaus hochwertiger Betreuungsangebote für Kinder und Pflegebedürftige. Frauen halten den Laden am Laufen. Für ihre Arbeit verdienen sie den gleichen Lohn. Und zwar ab der ersten Sekunde!