LNG

Fachkräfte auf dem Terminal

Der Import von Flüssiggas (LNG) soll Ersatz für das russische Pipeline-Gas liefern. Dafür werden in Norddeutschland derzeit die ersten LNG-Terminals eröffnet. Als Erstes ging das Terminal in Wilhelmshaven Ende 2022 in Betrieb — mit personeller Unterstützung durch die Vynova.

LNG-Terminal Wilhelmshaven

Marvin Lengen hat im Dezember seine Ausbildung zum Chemikanten bei Vynova abgeschlossen. Jetzt arbeitet er in der Messwarte des LNG-Terminals und überwacht das Prozessleitsystem. Im Zweistundentakt kontrolliert er zusätzlich die Messgeräte an der Umschlagsübergabestation.

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Kaum ein Ort stand in den vergangenen Wochen mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit als der Arbeitsplatz von Marvin Lengen. Der Anlagenfahrer arbeitet in einer Messwarte in der Nordsee, genau 1,4 Kilometer vorm niedersächsischen Festland, an der Jademündung bei Wilhelmshaven. Sein Arbeitsweg führt über eine Kaimauer auf den Anleger, entlang der neuen Pipeline, die metallisch-grau in der Sonne leuchtet. Schaut der 21-Jährige aus dem Fenster, blickt er direkt auf die Höegh Esperanza, die am Anleger vertäut ist. Auf dem Monitor überwacht er die Ströme des Flüssigerdgases, das von dem Schiff durch die neue Pipeline strömt. Marvin Lengen ist zuständig für die Sicherheit und den reibungslosen technischen Ablauf auf dem ersten deutschen LNG Terminal, das Mitte Dezember seine Arbeit aufgenommen hat.

Die Höegh Esperanza ist ein 300 Meter langes Spezialschiff (FSRU Floating Storage and Regasification Unit) und Herzstück des neuen Terminals. Sie wird als schwimmender Tank und zugleich als Verdampfungsanlage genutzt, in der das zum Transport auf minus 164 Grad Celsius heruntergekühlte Flüssigerdgas erwärmt und in seinen gasförmigen Zustand zurückversetzt wird. Erst dann kann es vom Schiff durch die Pipeline in den knapp 30 Kilometer entfernten Gasspeicher Etzel gepumpt werden. Im Januar haben bereits zwei Tank-Schiffe hier angelegt und die Höegh Esperanza beliefert. Pro Jahr sollen hier laut Betreiber Uniper bis zu 7,5 Milliarden Kubikmeter Gas angelandet werden. Das entspreche rund 8,5 Prozent des deutschen Erdgasbedarfs.

"Hier jetzt zu arbeiten, ist schon etwas Besonderes", sagt Marvin Lengen. Erst im Dezember 2022 hat er seine Ausbildung zum Chemikanten bei Vynova abgeschlossen. Der Kunststoffproduzent mit 350 Beschäftigten in Wilhelmshaven wurde von Uniper mit der Betriebsführung beauftragt. Rund um die Uhr muss die Messwarte mit zwei Personen besetzt sein, wenn ein Schiff für Vynova anlegt, kommt ein Dritter hinzu. Marvin Lengen und seine Kollegen überwachen auf den Monitoren das Prozessleitsystem. Im Zweistundentakt kontrollieren sie zusätzlich die Messgeräte drüben an der Umschlagsübergabestation. "Um die Sicherheitsüberwachung zuverlässig gewährleisten zu können, mussten zu den Azubis weitere Kollegen eingestellt werden", berichtet der Betriebsratsvorsitzende Volker Neumann.

Marvin Lengen und fünf weitere Auszubildende – der ganze Ausbildungsjahrgang – wurden übernommen, weitere Fachkräfte aus der Region neu eingestellt. "Angesichts des Fachkräftemangels im Nordwesten Niedersachsens war es nicht einfach, qualifiziertes Personal zu finden." Besonders erschwerend: Voraussetzung für die Einstellung war eine komplette Feuerwehrausbildung. Da waren die eigenen Azubis im Vorteil: "Einige haben die Lehrgänge bereits im Rahmen ihrer Ausbildung absolviert" so Neumann. Ein weiterer Baustein der Vynova-Ausbildung erwies sich als Vorteil: "Wir führen die jungen Leute bereits in der Ausbildung an den Schichtdienst heran", sagt Mario Schröder, Tagdienstmeister auf dem Anleger. "Deshalb waren unsere Leute mit der Schichtarbeit bereits vertraut und extrem gut einsetzbar." Auch Marvin Lengen gefällt das Fünfschichtsystem. "Work-Life-Balance und das Gehalt stimmen", so der junge Mann. Insgesamt sei die Arbeit sehr abwechslungsreich.

Aufgrund seiner Lage wird der Nordwesten von Niedersachsen als Energiedrehscheibe gehandelt. Windkraft aus der Nordsee, Pipelinegas aus Norwegen und den Niederlanden sowie Flüssigerdgas aus aller Welt kommen hier an und werden in die deutschen Netze und Pipelines eingespeist. In der Planung befindet sich ein festes Landterminal, hier soll grüner Wasserstoff als Energieträger der Zukunft umgeschlagen werden. Alexander Oyen, Leiter des IGBCE-Bezirks Oldenburg, sieht starke Entwicklungsmöglichkeiten für die Region und ihre Unternehmen. "Wir hoffen auf Arbeitsplatzsicherung vor Ort und neue Beschäftigungsmöglichkeiten", sagt er. Damit einher gehe ein steigender Fachkräftebedarf. "Wir verzeichnen heute schon einen Mangel an Fachkräften. Für die Unternehmen bedeutet das: Sie müssen ihre Ausbildungskapazitäten weiter ausbauen", so Alexander Oyen. Nicht nur das: Durch die Ausrichtung auf saubere Energien erhofft er sich ein steigendes Interesse der Jugendlichen an Chemie-Ausbildungsberufen. Beide Seiten werden sehen, dass sich "eine Chemie-Ausbildung lohnt!"


Zeitplan für die LNG-Terminals

Langfristig ist der Bau von drei festen LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade geplant. Der Ausbau ist allerdings zeitaufwändig, so dass sich frühestens ab 2025 mit der Inbetriebnahme rechnen lässt. Kurzfristig werden als Übergangslösung sechs schwimmende Terminals (FSRU) — fünf staatlich betriebene und ein privat betriebenes — die Aufgaben übernehmen.

  • In Brunsbüttel ist das schwimmende Terminal Mitte Januar mit der ersten Ladung LNG eingetroffen.
  • Das privat betriebene Terminal in Lubmin hat nach einem Testlauf Mitte Januar als zweites deutsches LNG-Terminal den Betrieb aufgenommen.
  • In Wilhelmshaven ist das erste Terminal seit Ende Dezember in Betrieb, ein zweites soll Ende 2023 starten. Zum Bau des Anlegers und Betrieb der FSRU liegen noch keine Anträge vor.
  • In Stade sind Mitte Januar die Bauarbeiten für den Anleger offiziell gestartet. Die Ankunft des schwimmenden Terminals ist auf Ende 2023 terminiert.