Chemie

EU-Chemikalienstrategie mit Bedacht gestalten

Für die Industrie unverzichtbare chemische Grundstoffe könnten in Zukunft in der Europäischen Union nicht mehr verfügbar sein. Davor warnen Vertreter von Unternehmen und Gewerkschaften. Noch ist Zeit für eine Gestaltung mit Bedacht.

Chemie-Laborantin

Chemie-Laborantin

Foto: © Dimitriy Shironosov /Shutterstock.com

Im Rahmen ihrer Chemikalienstrategie – die Bestandteil des europäischen „Green Deals“ ist – plant die Europäische Kommission das Verbot von Stoffen, die gesundheitsgefährdend sein können. Hierzu will sie die Chemikalienverordnung REACH und die CLP-Verordnung zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen verschärfen.

Für die Industrie bringen diese Pläne Chancen und Risiken. Die Chance etwa, ganz vorne mit dabei zu sein bei der Entwicklung gesunder Alternativen. Und das Risiko, das Standorte auf der Strecke bleiben, weil sie nicht schnell genug umstellen können. Und dass so Arbeitsplätze verloren gehen oder ins außereuropäische Ausland verlagert werden.

Damit das nicht passiert, fordern Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter, die Chemikalienstrategie mit Bedacht zu gestalten. „Die IGBCE unterstützt die Ziele des Green Deals“, sagt der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis. „Dieser muss aber zugleich garantieren, dass gute und fair bezahlte Arbeitsplätze in der Industrie erhalten oder neu geschaffen werden. Denn die Maßnahmen werden in ganz erheblichem Umfang Auswirkungen auf ganze Geschäftsbereiche, auf unsere Form des Wirtschaftens und damit auch auf Beschäftigung in unseren Branchen haben.“

Nach einer Analyse im Auftrag des europäischen Chemieverbands Cefic könnten tausende Stoffe, die bis zu 28 Prozent des Umsatzes der Branche ausmachen, verboten werden. Schätzungen zufolge stehen nur für ein Drittel Alternativen zur Verfügung. Über 40.000 Arbeitsplätze könnten dadurch in der EU-Chemieindustrie verloren gehen.

Wenn Grundstoffe nicht mehr zur Verfügung stehen, wird es unmöglich sein, bestimmte Produkte herzustellen. Besonders betroffen sein dürften unter anderem Reinigungsmittel, Schmiermittel, Pflanzenschutzmittel, Klebstoffe, Dichtstoffe und Farben. Darunter auch viele Produkte, die für den Umstieg in eine klimaneutrale Welt dringend gebraucht werden – zum Beispiel werden für den Bau von Windrädern Epoxidharze benötigt. Aber auch in Schlüsselkomponenten für die Wasserstoffwirtschaft stecken Stoffe, die verboten werden könnten.

Ein weiteres Problem ist, dass den Plänen nach, Stoffe unabhängig von ihrem konkreten Einsatz verboten werden könnten. Zurzeit wird der „risikobasierte Ansatz“ verwendet, der die Verwendung der Stoffe berücksichtigt. Die IGBCE fordert, dass das auch so bleibt, da oft nur so wirksames, effizientes und verhältnismäßiges Risikomanagement möglich ist. Viele Substanzen werden nur in Zwischenschritten eingesetzt, sind im Endprodukt aber überhaupt nicht enthalten. Es macht aber einen riesigen Unterschied, ob ein gefährlicher Stoff in Produkten für Privatleute enthalten ist oder ob er unter kontrollierten Bedingungen in einer Anlage der chemischen Industrie verwendet wird.

Die IGBCE fordert daher, den gesamten Lebenszyklus von Stoffen betrachten und dabei auch die positiven Auswirkungen auf Menschen und Umwelt zu beachten. Und auch zu berücksichtigen, mit welchen Herausforderungen es die Chemische Industrie insgesamt zu tun hat. Michael Vassiliadis: „Wir als IGBCE wollen den Transformationsprozess positiv mitgestalten, der Green Deal ist in erster Linie eine Chance. Aber wir haben auch Fragen, sehen unklare Gestaltungswege und erwarten soziale Ausgestaltung.“ Von der Politik fordert er verbindliche Aussagen. „Die ökologische Transformation wird nicht einfach sein. Die europäische Ebene stellt immer höhere Anforderungen. Die Politik lässt aber vielfach Konkretes vermissen, wie die Ziele zur Klimaneutralität und Dekarbonisierung erreicht werden sollen. Vor allem die energieintensiven Branchen wie die Chemieindustrie stehen unter immensem Druck.“