Chemie und Pharma

Erfolgreich auf den Zug aufgesprungen

Das Biotechunternehmen Curevac hat erstmals einen Betriebsrat. Wie der sich bisher aufgestellt hat, berichtet dessen Vorsitzender Heiko Klever.

Heiko Klever

Der Impuls kam von außen: Als das Biotechunternehmen Curevac im Frühjahr 2021 verkündete, sich in eine SE, eine europäische Aktiengesellschaft, umwandeln zu wollen, nahmen erste Bewegungen und Kontakte, die es im Hintergrund zur Gründung eines Betriebsrats bereits gab, zunehmend Gestalt an. „Wir wollten in dem Verhandlungsgremium, das dazu gegründet wurde, mitreden können. Wir wollten dort eigene Leute platzieren und die IGBCE vertreten“, berichtet Heiko Klever, Vorsitzender des Betriebsrats, der schließlich im Oktober 2021 erstmals bei dem Biotechunternehmen gewählt wurde. Mit Unterstützung der IGBCE wurde zunächst eine Wahlversammlung einberufen, ein 5-köpfiger Wahlvorstand gewählt und schließlich im Herbst vergangenen Jahres ein Betriebsrat gewählt.

Heiko Klever steht dem neuen Gremium gerne als Betriebsratsvorsitzender vor. Er ist nicht ganz neu in der Tätigkeit - in seinem „alten“ Betrieb saß er bereits sieben Jahre im Betriebsrat. »Dadurch hatte ich schon ein gewisses Verständnis für Rechtsfragen, durch verschiedene Schulungen ein Grundwissen«, erzählt er. Das „alte“ Unternehmen war kleiner - „Dort hatten wir fünf Einstellungen im Monat. Bei Curevac haben wir die in der Woche.“ -, aber „das Wissen bleibt in der Grundsache“, hat Klever festgestellt. Und dennoch habe er sich bloß wie „ein Einäugiger unter Blinden“ gefühlt, die „auf einen Zug aufspringen, der bereits mit 120 Sachen unterwegs ist.“ Dafür, dass sie den Anschluss gut meistern, haben die dreizehn Betriebsratsmitglieder in den folgenden Tagen und Wochen gesorgt. Indem sie sich einen Überblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens verschafften, und indem sie sich die richtigen Ansprechpartner*innen suchten und versuchten, klare und verlässliche Kommunikationsstrukturen zu etablieren. »Wichtig war uns dabei zu klären, wie wir als Gremium noch früher in Vorhaben und Prozesse reinkommen und dafür sorgen können, einbezogen zu werden«, resümiert Klever. Ein erfahrener Betriebsratsvorsitzender unterstützte im Rahmen einer Crashkurs-Schulung „Betriebsverfassungsrecht“ das Team aus Kolleg*innen aus den unterschiedlichsten Unternehmensbereichen („Das erweitert den Dunstkreis“, beurteilt Klever diesen Umstand deutlich als Vorteil) dabei.

In der Veranstaltung ging es um Fragen wie, »Wie stellen wir uns als Gremium auf?« oder »Wie setzen wir Prozesse in Gang?« „Das war uns wichtig“, sagt Klever. „Wir wollten und wollen nicht direkt auf Konfrontation gehen, sondern eher dezent auf unsere Rechte hinweisen.“ In den drei, vier Wochen nach der Betriebsratswahl habe sich das zunehmend gut eingeschliffen. Und es zahlt sich in den Kontakten mit den unterschiedlichen Ansprechpartnern im Betrieb, auch mit der Geschäftsführung, aus. „Viele haben ja unterschiedliche Erfahrungen mit dem Thema Betriebsrat“, hat Klever gelernt. „Mancher fragt sich „Darf ich mit dem überhaupt ohne Anwalt sprechen.“ Diese Frage kam nicht selten. Für uns alle war das neues Terrain.“ Aber langsam hat man sich angenähert, hat untereinander im Betriebsrat die Top-Themen definiert und mit der Personalabteilung geklärt, wo es Überschneidungen gibt. „Die Arbeitszeiterfassung und -gestaltung stand dabei neben anderen Themen ganz oben auf der Liste“, erinnert sich Klever. „Relativ schnell konnten wir das Pilotprojekt zum Thema Rufbereitschaft interimistisch im Rahmen einer Betriebsvereinbarung verlängern. Die „echte“ Betriebsvereinbarung ist für den Herbst geplant.“ Auch „neue“ Prozesse konnten definiert werden, wie beispielsweise die Beteiligung des Betriebsrats an der Anhörung bei Neueinstellungen.

Und schließlich ging der neue Betriebsrat auf die Suche nach den großen Themen und Herausforderungen. Eine Betriebsratsversammlung wurde einberufen, um sich den Kolleginnen und Kollegen als Gremium vorzustellen, seine Arbeit und Ambitionen zu erklären. Aber auch, um »auf die Vorteile eines Tarifvertrags beziehungsweise einer IGBCE-Mitgliedschaft hinzuweisen«.

Um ein Gefühl für die Belange der Beschäftigten zu bekommen, initiierte der Betriebsrat direkt im Anschluss an die Versammlung eine Befragung zu Themen wie Nachhaltigkeit, dem Wunsch nach einer Kantine und den ÖPNV. Mehr als 500 Beschäftigte nahmen an der Befragung teil, die Auswertung läuft. »Das Ergebnis wird uns zeigen, welche Probleme individueller Natur sind und welche systematisch“, erklärt Klever. „Das hilft weiter und wird uns die Marschrichtung für die nächsten ein bis zwei Jahre vorgeben.«

Was bereits auf der Agenda steht, sind die vielen jungen Arbeitnehmer*innen, die direkt von der Uni zu dem biopharmazeutischen Unternehmen kommen, und die Wissenschaftler, die dort bereits arbeiten - beide mit wenig Kontakt zur Gewerkschaft. „Das wollen wir ändern“, sagt Klever. Er selbst ist für seine Betriebsratstätigkeit zu 50 Prozent freigestellt. Die übrige Zeit ist er im Engineering in Projekten tätig. Die Verbindung aus Tätigkeit im und für das Unternehmen empfindet er als „doppelte Bereicherung“.