Energiepolitik

Energiepolitische Tagung: Betriebsrätenetzwerk gegründet

Steigende Energiepreise, drohender Lieferstopp und Umbau zu klimafreundlicher Produktion: Auf der Energiepolitischen Tagung am 5. Juli haben rund 60 Betriebsräte aus dem Landesbezirk Nord mit dem niedersächsischen Umwelt- und Energieminister Olaf Lies, Arbeitgeberverband und Vertreter*innen aus IGBCE und DGB über die Situation in ihren Betrieben diskutiert. Um ihre Positionen zu stärken, haben sie ein Betriebsrätenetzwerk gegründet.

Energiepolitische Konferenz
Foto: © Kai-Uwe Knoth

Angesichts des drohenden Lieferstopps von russischem Gas hat sich Landesbezirksleiter Ralf Becker für einen beschleunigten, grundlegenden Umbau der gesamten Energieversorgung hin zu mehr Unabhängigkeit, aber auch zu mehr Klimaschutz ausgesprochen. „Die aktuellen energiepolitischen Weichenstellungen sind von zentraler Bedeutung für die Industrie und die Beschäftigungssicherung in den IGBCE-Branchen“, sagte Ralf Becker am Rande der „Energiepolitischen Tagung“ des Landesbezirks. Der Übergang müsse nicht nur technologisch und ökonomisch funktionieren, sondern auch sozial. „Beschäftigungsfragen müssen adäquat gelöst werden. Gute Jobs müssen durch gute Jobs ersetzt worden sein, bevor sie abgewickelt werden dürfen. Gute Jobs gibt es nach unserem Verständnis nur mit Mitbestimmung und Tarifbindung.“ Von den Arbeitgebern erwartet Oliver Elsen, Betriebsratsvorsitzender bei Aluminium Oxid Stade, in diesem Transformationsprozess ein „weiterhin sozialpartnerschaftliches Verhalten“. „Es gilt, mit uns auf Augenhöhe zu verhandeln, die Beschäftigten mit Wertschätzung zu behandeln und für neue Anforderungen zu qualifizieren“, so Oliver Elsen.

Dr. Jochen Wilkens, Hauptgeschäftsführer Chemie Nord, hob die Bedeutung einer kontinuierlichen Energieversorgung für die Chemie-Unternehmen zu international wettbewerbsfähigen Preisen hervor. Die Politik müsse dieses Problem endlich gemeinsam mit den Unternehmen anpacken, ansonsten drohe der deutschen Wirtschaft beim Wiederanlaufen der internationalen Lieferketten und dem dann einsetzenden Importdruck ein böses Erwachen. „Beim Ausbau der erneuerbaren Energien muss deshalb jetzt ein Turbo gezündet werden und alle bürokratischen und sonstigen Hemmnisse gehören umgehend auf den Prüfstand“, forderte Jochen Wilkens. „Nur wenn sich der Staat endlich auch wie ein verantwortungsbewusster Marktteilnehmer verhält und durch die Gestaltung der richtigen Rahmenbedingungen zur Wertschöpfung beiträgt, können wir die industrielle Zukunft in Deutschland sichern.“ Dem pflichtete Oliver Elsen aus Sicht der Arbeitnehmenden zu. „Deshalb setzen wir uns gemeinsam mit IGBCE und dem Betriebsrätenetzwerk des Chemiestandorts Stade für den Bau eines LNG-Terminals ein.“

Oliver Elsen, Aluminium Oxid Stade, auf der Energiepolitischen Tagung

Oliver Elsen, Aluminium Oxid Stade, auf der Energiepolitischen Tagung

Foto: © Kai-Uwe Knoth
Am Beispiel der LNG-Terminals, die in Wilhelmshaven 2022 und in Stade 2023 an den Start gehen sollen, stelle das Land Niedersachsen laut Umwelt- und Energieminister Olaf Lies derzeit unter Beweis, wie schnell Planungsprozesse und Genehmigungsverfahren durchgeführt werden könnten. Dies sei eine Blaupause für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stromnetze. „Wir wollen so Niedersachsen zu einem Tor und einer Drehscheibe für Erneuerbare Energie für ganz Deutschland ausbauen“, kündigte Olaf Lies an. „Begleitet von einer aktiven Industriepolitik haben wir daher jetzt die große Chance, neue, gute Industriearbeitsplätze entstehen zu lassen.“ Er stellte klar, dass das Erreichen von Klimaschutzzielen durch eine konsequente Energiewende nur sozialpartnerschaftlich gelingen könne. „Tarifbindung und Mitbestimmung muss der Standard sein. Das sichert auch die Akzeptanz für die anstehenden Veränderungen und hilft, diesen Transformationsprozess auch zu einer beschäftigungspolitischen Erfolgsgeschichte zu machen."

Um die Betriebsräte in ihrem Engagement für die Sicherung ihres Standorts und die Beschäftigung vor Ort zu unterstützen, hat der Landesbezirk ein Betriebsrätenetzwerk ins Leben gerufen. „Wir werden euch insbesondere in der Ansprache an die Politik unterstützen“, versprach Landesbezirksleiter Ralf Becker. Darüber hinaus soll der Erfahrungsaustausch von Betriebsräten aus energieintensiven Betrieben untereinander und mit der IBCE gestärkt und der fachliche Input durch die Spezialabteilungen der IGBCE sichergestellt werden.

Landesbezirk und Betriebsräte fordern politische Rahmenbedingungen

Um den Umbau der einheimischen Industrie zu schaffen und die aus der Energiewende entstehenden Chancen für einen weiteren Beschäftigungsaufbau in Verbindung mit guter Arbeit zu nutzen, fordern Landesbezirk und Betriebsräte die Politik auf, durch eine aktive Industriepolitik zeitnah verbindliche Rahmenbedingungen zu setzen. Dazu gehören

  • deutlich verkürzte Planungs- und Genehmigungsverfahren mit der frühzeitigen Einbindung von allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen,
  • Förderung von Forschung und Entwicklung,
  • Förderung von Investitionen,
  • Beteiligung an betriebswirtschaftlichen Differenzkosten gegenüber Wettbewerbsregionen, die Klimaziele langsamer setzen, z. B. durch Unternehmensbeteiligungen und Beihilfen,
  • mehr Mitbestimmung durch die Stärkung der Arbeitnehmer*innenbänke in den Aufsichtsräten,
  • Einführung von Transformations- und Innovationsausschüssen im Betrieb und im Aufsichtsrat.   

Statements von Tagungsteilnehmern