Corona-Pandemie

Die Schwächsten trifft es am Härtesten

Endlich deutet sich in der Pandemie ein Silberstreifen am Horizont an. Die Impfkampagne in Deutschland kommt immer mehr ins Rollen, die Infektionszahlen gehen zurück. Allerdings zeigen sich jetzt auch die langfristigen Folgen der Krise: Die Ärmeren und sozial Schwachen werden von der Pandemie härter getroffen als der Rest der Gesellschaft. Dieses und andere Themen beleuchten wir in unserer Verteilzeitung, die Anfang Juni in den Betrieben zu finden sein wird. 

Conti-Demo in Hannover
Foto: © Christian Burkert

Viele werden es auf dem Konto gespürt haben: In Folge der Corona-Krise ist der Reallohn in Deutschland in 2020 um 2,2 Prozent gesunken. Kein Wunder: Im Frühjahr 2020 waren rund sechs Millionen Beschäftigte bundesweit in Kurzarbeit, darunter in der Spitze knapp 300.000 Mitarbeiter*innen in Branchen der IG BCE. Diese müssen allerdings geringere Gehaltseinbußen hinnehmen als viele andere – vier von fünf Beschäftigten in IG BCE-Branchen bekommen ein auf bis zu 90 Prozent aufgestocktes Kurzarbeitergeld. Laut dem aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung sind Lohnverluste „in den unteren Einkommensbereichen größer“, demnach nimmt die Verteilungsgerechtigkeit im Zuge Pandemie ab.

Das sind die offiziellen Zahlen. Wir möchten in unserer Umfrage von dir wissen, wie du persönlich die Einkommens- und Vermögenssituation in Deutschland beurteilst. Die Umfrage findest du auch in unserer Betriebszeitung, die bundesweit mit einer Auflage von knapp 250.000 Exemplaren Anfang Juni in den Betrieben verteilt wird. Themenschwerpunkte der Ausgabe sind neben der zunehmenden soziale Ungerechtigkeit als Folge der Corona-Pandemie auch die großen Herausforderungen der Automobilzulieferindustrie. 

Eine Bestandsaufnahme der zunehmenden Ungerechtigkeit:

  • Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist trotz Pandemie wegen des massiven Einsatzes von Kurzarbeit nur moderat gestiegen: Laut Bundesagentur für Arbeit belaufen sich die Folgen bisher auf ein Plus von einer halben Million Arbeitslosen (plus 1,1 Prozentpunkte bei der Quote). Von Kurzarbeit betroffen sind vor allem Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen und in Niedriglohn-Segmenten. Besonders die Durchschnittsgehälter der Geringverdiener*innen sanken laut HansBöckler-Stiftung. Hier gibt es kaum tarifliche Regelungen zur Aufstockung von Kurzarbeitergeld.
  • Im Niedriglohnsektor ist nicht nur der Anteil der Kurzarbeit besonders hoch, hier steigt auch die Arbeitslosigkeit am deutlichsten: Bei geringerer Qualifikation ist das Risiko höher, den Job zu verlieren. Die Beschäftigten arbeiten seltener im Homeoffice und haben ein höheres Risiko, sich auf dem Arbeitsweg oder in der Firma anzustecken.
  • Kinder aus einkommensschwachen Familien leiden am meisten, wenn Kita und Schulen schließen. Sie leben häufig in beengten Verhältnissen, den Eltern fehlen oft die Kenntnisse oder die technische Ausstattung für erfolgreiches Homeschooling – oder schlicht die Möglichkeit, weil man den ganzen Tag auf Arbeit ist.
  • Wenn Schule oder Kita dichtmachen, springen Frauen häufiger als Männer ein und reduzieren ihre Arbeitszeit. Sie verdienen in der Folge weniger, die Rentenansprüche sinken.
  • Superreiche werden immer reicher. Laut einer Studie von PWC und USB legte das Vermögen der Milliardär*innen in Deutschland von 2019 bis 2020 um fast 20 Prozent auf knapp 500 Milliarden Euro zu.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie notwendig ein gut entwickelter Sozialstaat ist. Genauso offensichtlich werden die Leistungsgrenzen des Staates, zumal viele Entwicklungen schon vor der Pandemie eingesetzt haben.

  • Der Mindestlohn ist eine wichtige Notbremse gegen Tarifflucht und krasse Armut, aber er bleibt ein schlechter Lohn.
  • Kurzarbeitergeld, das sich von Billiglohn ableitet, reicht hinten und vorne nicht zum Leben, selbst wenn der Staat aufstockt.
  • Weite Teile der Arbeitnehmerschaft verfügen über kein Vermögen – und damit über keine Reserven, um halbwegs vernünftig durch Krisenzeiten zu kommen.
  • Die Mittelschicht gerät immer stärker unter Druck: In Folge von sinkender Tarifbindung und mehr prekärer Beschäftigung verfügen immer weniger Menschen über ein gutes, sicheres Einkommen. Die noch anständig und nach Tarif bezahlte Arbeitnehmerschaft finanziert unterdessen über ihre Beiträge und Steuern den Sozialstaat. Im Vergleich zu den Superreichen tragen sie schon heute größere Lasten – Wir müssen aufpassen, dass nicht auch die Folgen der Corona-Krise einseitig durch die Beschäftigten bezahlt werden.

Wir als IG BCE fordern darum mehr Verteilungsgerechtigkeit, eine bessere Tarifbindung und mehr Mitbestimmung – damit es allen besser geht.

  • Weil in tarifgebundenen Betrieben Durchschnittseinkommen und Arbeitsbedingungen besser sind. Das bedeutet auch: auskömmlichere Renten im Alter, weil man ordentlich verdient hat.
  • Weil in Unternehmen mit starker Mitbestimmung weniger Jobs abgebaut werden.
  • Weil in Firmen mit Betriebsräten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser funktioniert.

Von der Politik fordert die IG BCE ein gerechteres Steuersystem und mehr Mitbestimmung.

  • Spitzenverdiener*innen sollen stärker zur Kasse gebeten werden, über einen um zwei Prozentpunkte höheren Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer, der etwa bei 100.000 Euro (200.000 Euro bei Verheirateten) greifen könnte. Kleine und mittlere Einkommen sollen über einen höheren Grundfreibetrag von 12.800 Euro (bislang 9744 Euro) entlastet werden. Auch eine Vermögenssteuer soll eingeführt werden.
  • Global Player wie Amazon sollen über eine internationale Mindeststeuer von 25 Prozent besteuert werden.
  • 450 Milliarden Euro soll der Staat in den kommenden zehn Jahren in den Ausbau der Infrastruktur investieren, in Bildung, schnelles Internet für alle und vernünftige Verkehrsanbindung auch in ländlichen Regionen.
  • Die Tarifbindung muss gestärkt werden, etwa durch eine Tarifverhandlungspflicht für Arbeitgeber*innen und eine Vorrangstellung von tarifgebundenen Betrieben bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen.
  • Die Unternehmensmitbestimmung muss reformiert werden, damit Kapital- und Belegschaftsseite im Aufsichtsrat auf Augenhöhe um soziale Lösungen ringen können.

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Verteilzeitung
Gemeinsam durch die Corona-Krise

Mit dieser Zeitung informiert die IG BCE über gewerkschaftliche Arbeit, die Lage in unseren Branchen und die große Bedeutung der Mitbestimmung. Besonderer Schwerpunkt dieser Ausgabe: die von der Pandemie verstärkte soziale Ungerechtigkeit und die Herausforderungen der Automobilzulieferer.