Corona-Testlabore

Arbeiten am Limit

In den Corona-Test-Laboren geben die Beschäftigten ihr Bestes, um mehr als eine Million Tests pro Woche auszuwerten. Doch die Grenze der Belastungsfähigkeit ist erreicht: Trotz Überstunden kommen sie bei immer weiter steigenden Testzahlen dennoch kaum hinterher.

Corona Test Labor
Foto: © Maksim Toome/ IG BCE / Colourbox

Der Sommer war heftig: "Jeden Tag bis zu zehn Stunden Arbeit, wenig freie Wochenenden und eine unwahrscheinliche Arbeitsbelastung. Das war Stress pur. Da lagen schon mal die Nerven blank", erinnert sich Rebecca Uloth, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Labordienstleister Synlab. Die 31-Jährige leitet die Corona-Abteilung des medizinischen Versorgungszentrums in Jena.

"Im Gegensatz zu vielen anderen normalisierte sich mein Leben über die Sommermonate nicht. Der Unterschied zwischen dem, was ich erlebte, und der Entwicklung draußen, dem Infektionsgeschehen, war riesig", sagt Uloth. Wegen der kostenlosen Tests für die Reiserückkehrer und die Entwicklung der CoronaWarn-App schossen die Testzahlen – und damit das Arbeitsvolumen für Uloth und ihre Kolleginnen und Kollegen – in die Höhe. Gleichzeitig stieg die Zahl anderer Proben wieder an, weil sich im Sommer wieder mehr Menschen zum Arzt trauten und die aufgeschobenen Operationen nachgeholt wurden.

Vor der Pandemie waren die Jenaer Beschäftigten mit der Tumordiagnostik befasst. "Mit der Methodik der Corona-Tests sind wir aus der Tumordiagnostik bestens vertraut, die Größenordnung ist aber eine vollkommen andere", erzählt Uloth. In der Tumordiagnostik seien 100 Tests am Tag schon viel. "Derzeit schaffen wir locker 4000 Corona-Proben täglich", so Uloth. In Jena sind 10000 Corona-Tests pro Tag das Ziel. Deutschlandweit haben viele Labore ihre Kapazitäten deutlich ausgeweitet: Zu Beginn der Pandemie unter suchten die Labore 300.000 bis zu 400.000 Tests pro Woche, zuletzt waren es rund 1,6 Millionen.

An dem kleinen Synlab-Standort in Jena arbeiteten Anfang des Jahres gerade einmal 15 Beschäftigte. Neue Kräfte, unter ihnen viele Studenten, wurden eingestellt. Synlab setzt außerdem Springerkräfte ein, die deutschlandweit dort eingesetzt werden, wo es gerade einen größeren Corona-Ausbruch gibt. Um die Arbeit zu bewerkstelligen, wurde zusätzlich ein Schichtsystem  eingeführt. "Da die Arztpraxen an Sonn- und Feiertagen geschlossen haben, mussten wir bisher in der Tumordiagnostik an diesen Tagen auch nicht arbeiten", erklärt Uloth.

Mittlerweile haben die Labore zusätzlich Prozesse bei den Tests optimiert. Was anfangs kleinteilige Handarbeit war, läuft jetzt mit Maschinen. "Und wir haben heute viel mehr Erfahrung und Wissen bei der Auswertung und Interpretation. Da sind wir ja komplett bei Null gestartet", so die 31-Jährige. Als Abteilungsleiterin koordiniert sie die Logistik der Proben mit den anderen Synlab-Standorten in regelmäßigen Telefonkonferenzen: "Wir helfen uns gegenseitig aus, wenn es durch große lokale Ausbrüche irgendwo eng wird."  Durch diese Verbesserungen und die Neueinstellungen sei man langsam wieder auf einem Niveau, das den Beschäftigten geregelte Wochenenden und Arbeitszeiten erlaube, weil die Arbeit auf mehreren Schultern verteilt sei. "Aber Minusstunden macht hier niemand."

Minusstunden sind auch am hannoverschen Standort von Amedes, einem weiteren Labordienstleister, utopisch. Dort werten die 130 Beschäftigten ebenfalls Corona-Tests aus. Denise Wittenberg, Gemeinschaftsbetriebsratsvorsitzende und Teamleiterin in der Prä-Analytik, blickt auf stressige Monate an der Belastungsgrenze zurück: "Nach dem ersten Lockdown, als wir dachten, dass wir aus dem Gröbsten raus seien, ging der Stress wegen der veränderten Teststrategie erst so richtig los." 

Denise Wittenberg Betriebsratsvorsitzende Amedes Hannover
Foto: © Studioline Photography Hannover

"Wenn ein Patient kurz vorm Herzinfarkt steht, dann steht er immer noch kurz vorm Herzinfarkt — unabhängig von Corona"

Denise Wittenberg
Betriebsratsvorsitzende Amedes Hannover

Entspannung gibt es seitdem nicht: Rund 3500 Tests am Tag werten die Beschäftigten aus. "Und die reine Routine muss mitlaufen"«, erklärt Wittenberg. "Wenn ein Patient kurz vorm Herzinfarkt steht, dann steht er immer noch kurz vorm Herzinfarkt – unabhängig von Corona." Dann müssten die Tests trotzdem so schnell wie möglich gemacht werden. Sie sagt: "Wir geben unser Bestes, alles gleichzeitig zu schaffen." 

Bei Amedes in Hannover arbeiten die Beschäftigten von montags bis samstags im Zwei-Schicht-System. Um die Arbeit zu schaffen, wurde der Stichtag für den Überstundenabbau nach hinten verschoben und zusätzliches Personal eingestellt. "Das entlastet uns enorm. Allerdings ist die Einarbeitung unter Hochdruck, gerade bei fachfremdem Personal oder Studenten, auch herausfordernd", so Wittenberg.

Eine Herausforderung ist auch das stundenlange Tragen der FFP2-Masken. Eine Maskenpflicht im Labor gab es schon vor Corona. "Aber die konnten wir zwischendurch immer mal wieder abnehmen. Bei den Massen an Tests ist das derzeit nicht möglich", erzählt Wittenberg. Um einmal so richtig durchzuatmen, machen die Beschäftigten jetzt regelmäßig kurze Pausen.

Die Corona-Proben werden in einem extra Raum ausgewertet. "Jede Probe ist potenziell infektiös", sagt sie. "Aber das sind wir gewohnt. Wir arbeiten sonst auch oft mit Proben, die noch viel infektiöser sind, wie HIV zum Beispiel." Im Gegensatz zu Blutproben zum Beispiel kann es bei Corona-Proben aber Aerosole geben. Deswegen öffnen die Beschäftigten die Proben nur unter einer bestimmten Sicherheitswerkbank, in einem speziellen Glaskasten, in dem die Luft durch einen Filter abgesaugt wird. Wittenberg betont: "Corona-Proben können wir nicht einfach so im Raum öffnen."

Gehaltssprung für Synlab-Beschäftigte

Beim Labordienstleister Synlab hat die IG BCE einen satten Gehaltssprung für die Beschäftigten durchgesetzt. Im November einigten sich Gewerkschaft und Arbeitgeber auf einen entsprechenden Tarifabschluss. Dieser bringt Beschäftigten 7 Prozent mehr Entgelt, einen Corona-Bonus in Höhe von 1500 Euro und eine Einmalzahlung in Höhe von 1000 Euro. Bei Amedes beginnen die Gespräche am 4. Dezember. 

Die Laborbranche ist sehr zersplittert. Neben vielen kleinen und mittleren Betrieben tummeln sich einige wenige große wie Amedes (rund 4000 Beschäftigte im medizinischen Bereich) und Synlab (mehr als 2000 Beschäftigte im medizinischen Bereich). Einen Branchentarifvertrag gibt es nicht. Die IG BCE fordert ihn seit Jahren, denn das würde zu einer Befriedung der Branche führen, in der scharfer Wettbewerb herrscht. Die Labore konkurrieren nicht nur untereinander, sondern auch mit Kliniken und Krankenhäusern. Fachkräfte werden händeringend gesucht. Dazu müssten die Labore aber einem Arbeitgeberverband beitreten, der den Tarifvertrag verhandelt. "Bisher wollen sich aber die Unternehmen nicht in die Karten schauen lassen und sind stattdessen mit eigenen Anwälten unterwegs, um Tarife auszuhandeln", erklärt Marc Welters, IG-BCE-Verhandlungsführer für Synlab.