Digitale Diskussionsrunde mit Arbeitsminister Heil und DGB-Chef Hoffmann

„Wir kämpfen um jeden Ausbildungsplatz“

Es ist eine große Wertschätzung, unterstreicht aber auch die Bedeutung, wenn sich der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann gemeinsam Zeit nehmen. Das taten sie im Rahmen der Bundesjugendkonferenz der IG BCE.

Bundesjugendkonferenz 2021 Gäste Heil und Hoffmann
Foto: © Stefan Koch

Am zweiten Konferenztag stand nachmittags eine digitale Diskussionsrunde mit den beiden auf dem Programm. Ob zur Zukunft der Arbeit, Digitalisierung, globale Gerechtigkeit, Mitbestimmung - die Delegierten nutzten die Gelegenheit, um wichtige Themen mit dem Arbeitsminister Heil und dem DGB-Vorsitzenden Hoffmann zu besprechen.

Heil machte zu Beginn deutlich, wie groß die Herausforderung durch die Corona-Krise für den Sozialstaat und die Beschäftigung ist. Mit dem Instrument der Kurzarbeit habe man über zwei Millionen Jobs retten können. Dass die Ausbildungsplätze zurückgehen, sei fatal. Er betonte: „Wir kämpfen um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz.“ Kurzfristig habe der Schutzschirm der Regierung geholfen, langfristig brauche es eine Ausbildungsgarantie. Corona habe wie ein Brandbeschleuniger für digitale und ökologische Wandlungsprozesse gewirkt, daher dürfe auch in Zukunft nicht am Sozialstaat gekürzt werden. Niemand dürfe den Anschluss verlieren. Heil fordert bessere Löhne durch eine stärkere Tarifbindung: „Klatschen reicht nicht!“ Denn er sieht die Gefahr einer Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft, wenn die Menschen sich vor der Zukunft fürchten – ähnlich wie in den USA, wo unter anderem Strukturbrüche zur Wahl von Donald Trump führten.  

Mehr Mitbestimmung notwendig

Oft fehle es mittlerweile aber am Bewusstsein: „Wir müssen die Menschen wieder darüber informieren, dass ein Tarifvertrag gute Arbeit und gute Löhne bedeutet.“ In der Pflege will Heil die Leistungen der Pflegeversicherung an die Tarifbindung der Einrichtung koppeln und auch für öffentliche Aufträge brauche es ein Tariftreuegesetz. Als Lohnuntergrenze befürwortet Heil einen Mindestlohn von zwölf Euro. „Der Mindestlohn hat sich seit seiner Einführung 2015 bewährt, wir müssen ihn aber anpassen und armutsfest machen.“ Wichtig sei aber mit Blick auf den Wandel der Arbeit ein Interessensausgleich: „Sozialpartnerschaft ist dringend notwendig, um den Wandel fair auszuhandeln. Sie ist lebensnotwendig für die Arbeit von morgen. Damit aus technischem Fortschritt sozialer Fortschritt wird.“ Sonst drohe eben jene Spaltung der Gesellschaft, von der rechte Rattenfänger profitierten.

Der DGB-Vorsitzende Hoffmann betonte ebenfalls die Bedeutung starker Gewerkschaften und der Mitbestimmung in der Krise. Mit Blick auf die gewählten Jugend- und Auszubildendenvertreter*innen hob er hervor: „Ihr seid für die Menschen in den Betrieben da.“ Auch nach der Krise brauche es einen Ausbau von Partizipation und Mitbestimmung: „Das schafft Ordnung in den Betrieben, sorgt für eine gute Ausbildung und sichere Perspektiven.“ Trotzdem hätten 15 Prozent der Hauptschulabsolventen keinen Ausbildungsplatz: „Da müssen wir raus.“ Diesbezüglich lobte er tarifliche Regelungen wie das Programm „Start in den Beruf“ der IG BCE. Zur Übernahme äußerte er sich deutlich „Es darf keine Befristung nach der Ausbildung geben. Gerade jetzt erfordert die dramatische Situation junger Menschen die Verantwortung der Unternehmen.“ In Anbetracht der anstehenden Herausforderungen, Digitalisierung fair zu gestalten, und den Klimawandel mit sicheren Arbeitsplätzen anzugehen, forderte Hoffmann Investitionen, auch mit Schulden, alles andere sei ökonomischer Unfug: „Wenn wir jetzt nicht investieren, wird es später teurer. Das ist das Zukunftskapital der Jugend.“ Dass sich diejenigen an der Finanzierung beteiligen, die in der Krise reicher geworden sind, dafür werde er kämpfen.

Auch Hoffmann forderte eine Rückkehr zu Tarifbindung. Das Geschäftsmodell, dass öffentliche Aufträge an Unternehmen gingen, die Lohndumping betreiben, müsse aufhören. Ein Erfolg der Gewerkschaftsjugend sei die Mindestausbildungsvergütung gewesen. „Das zeigt, eine starke Gewerkschaft braucht eine starke Jugend“, lobte der DGB-Chef. 60 Prozent Neumitgliederquote der IG-BCE-Jugend im Corona-Jahr unter schwierigen Bedingungen, das sei richtig klasse: „Macht weiter so! Und treibt die Organisation – es kann nicht schaden!“

Breite Palette an Themen: Vom Lieferkettengesetz bis Generationengerechtigkeit

Die Fragerunde wurde souverän vom Bundesjugendsekretär Philipp Hering moderiert, der die Fragen der Delegierten an die zwei Gesprächspartner herantrug. Die Bandbreite reichte vom Lieferkettengesetz bis zur Digitalisierung der Arbeitswelt. Aber auch Fragen zu der Tatsache, dass Unternehmen gleichzeitig Kurzarbeit in Anspruch nähmen und Dividende auszahlten. Das treibe ihm die „Hutschnur hoch“,  so der Arbeitsminister, rechtlich sei dem aber nicht beizukommen. An Wirtschaftshilfen könne man jedoch Bedingungen knüpfen. „Die Gesellschaft darf nach der Krise nicht zur Tagesordnung übergehen. Die Folgen müssen fair verteilt werden.“ Heil brachte eine Steuer für Digitalunternehmen ins Spiel sowie eine globale Mindestbesteuerung, wie sie auch der US-Präsident Biden fordere.  

Ein Beitrag zur globalen Gerechtigkeit sei auch das von der Regierung beschlossene Lieferkettengesetz mit globalen Standards für die Unternehmen. Hoffmann zeigte sich zuversichtlich, da es jetzt echte Sanktionsmöglichkeiten für Unternehmen gebe – und man müsse das Gesetz noch auf die europäische Ebene bringen. Und Heil merkte an, dass es noch durch den Bundestag müsse – Arbeitgeberverbände versuchten es durch Lobbyarbeit zu verhindern. Hier gehe es aber um ein grundsätzliches Verständnis von Globalisierung und internationaler Solidarität: „Die Frage ist, bauen wir unseren Wohlstand auf Ausbeutung oder tun wir es nicht?“

Eine Frage von Generationengerechtigkeit ist die Ausgestaltung der Rente. Heil plädierte in erster Linie für gute Löhne als Weg zur guten Rente und warnte vor einem konstruierten Interessenskonflikt Jung gegen Alt, denn es gehe vielmehr um Arm gegen Reich. Ähnlich sah es Hoffmann. Dass Rentenalter anzuheben sei keine Lösung, es brauche Lösungen auf der Einnahmenseite. Eine große soziale Frage sei der bezahlbare Wohnraum: „Hier geht es um gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn normale Arbeitnehmer sich keine Wohnung in der Innenstadt leisten können.“ Es bedürfe sozial geförderten Wohnungsbaus, so Heil.

Regeln für die neue Arbeitswelt

Dass die Arbeitswelt mit der Digitalisierung einer Transformation unterliegt, betonen beide – es gehe um die Art der Gestaltung. „Die Arbeitswelt wird sich gravierend verändern – es braucht eine starke Mitbestimmung, gerade in auch in neuen Modellen wie der Plattformökonomie“, unterstrich Hoffmann. Auch beim Thema Home Office braucht es Regeln im Sinne der Menschen. Bei der Digitalisierung der Arbeitswelt stellte der Minister den Wert, die Würde und den Wandel der Arbeit in den Mittelpunkt. Noch in dieser Amtszeit soll dafür das Betriebsrätemodernisierungsgesetz die Grundlagen schaffen. Ein Recht auf Weiterbildung soll zukünftig den Menschen mehr Sicherheit im Wandel geben. Bei neuen digitalen Geschäftsmodellen brauche es den Zugang von Gewerkschaften und da, wo möglich, soll ein Recht auf Home Office Chancen für Arbeitnehmer*innen bieten. Für den anstehenden Bundestagswahlkampf wünscht sich der Minister: „Der Fokus der Debatte muss stärker auf der Zukunft der Arbeit liegen. Die Leute dürfen keine Angst vor der Zukunft haben, sonst wenden sie sich rechten Rattenfängern zu.“

Es war ein politischer und gewerkschaftlicher Rundumschlag, bei dem die IG-BCE-Jugend auch mit Blick auf ihre Konferenzthemen zahlreiche Impulse für ihre Beratungen mitnehmen kann. Ebenso haben Heil und Hoffmann mitnehmen können, dass die IG-BCE-Jugend in dieser Konferenz ganz konkret an der Gestaltung der Zukunft arbeitet.