Die Papiergewerkschaft IGBCE hat sich mit dem Arbeitgeberverband „Die Papierindustrie“ (DPI) auf einen Bundesentgeltrahmentarifvertrag für die 40.000 Beschäftigten der Branche geeinigt. Zwei Jahre hatten sich die Verhandlungen hingezogen, die finale Verhandlung zwischen Arbeitgebern und IGBCE fand am 24. Juni statt. Am 14. Juli hat die Bundestarifkommission der IGBCE dem Tarifvertrag ohne Gegenstimme zugestimmt.
„Die Einigung ist ein historischer Erfolg“, sagt IGBCE-Tarifsekretär Frieder Weißenborn. Er betont: „Mit der Zustimmung der Bundestarifkommission ist die Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Papierindustrie beendet und wir haben nach jahrzehntelangen Diskussionen das Thema Entgelttarifvertrag im letzten großen IGBCE-Flächentarifvertrag endlich erfolgreich bewältigt.“
In den Entlohnungsstrukturen wird nun nicht mehr zwischen Löhnen (für Arbeitern) und Gehältern (für Angestellte) unterschieden, sondern für alle Beschäftigten gelten die gleichen Bedingungen. „Der Vertrag stellt so die qualifizierte gewerbliche Tätigkeit mit der Angestelltentätigkeit gleich“, betont Weißenborn und ergänzt: „Endlich haben wir eine zeitgemäße Entgeltstruktur, die zur Digitalisierung und Transformation der Papierbranche passt.“
Geeinigt haben sich beide Seiten auf einen Entgeltgruppenkatalog mit 13 Entgeltgruppen und dazu gehörigen Orientierungsbeispielen.
Die IGBCE hat durchgesetzt, dass die Beschäftigten im Rahmen einer tariflichen Regelüberführung (Zuordnung Lohn-/ Gehaltsgruppen zu Entgeltgruppen) in den Entgeltrahmentarifvertrag eingruppiert werden, die von den regionalen Vertragsparteien verhandelt wird.
Auf tarifdynamische Besitzstandsregelungen haben sich beide Seiten ebenfalls geeinigt: Sinkt das Entgelt durch den Übergang von Lohn und Gehalt in Entgelt, werden die Differenzbeträge über einen Zeitraum von 15 Jahren als tarifliche Ausgleichszulagen garantiert. Diese Zulagen steigen bei Tariferhöhungen jeweils um den gleichen Prozentsatz wie das Tarifentgelt.
Der Bundesentgeltrahmentarifvertrag tritt am 1. Oktober 2022 in Kraft. Bis zum 30. Juni 2023 müssen die regionalen Arbeitgeberverbände und IGBCE-Landesbezirke die Verträge über Entgeltsätze (Entgeltgitter) abschließen. Nach Abschluss der regionalen Entgeltverträge haben die Unternehmen zwölf Monate Zeit, diese betrieblich umzusetzen.
Fragen und Antworten zur Einigung :
Was ist ein Bundesentgeltrahmentarifvertrag?
Der Entgeltrahmentarifvertrag löst die jahrzehntealte Differenzierung zwischen Löhnen und Gehältern ab, es gibt stattdessen nur noch für alle Beschäftigten gültige Entgelte. Damit werden die qualifizierte gewerbliche Tätigkeit (Löhne) und die Angestelltentätigkeit (Gehälter) gleichgestellt.
In welchen Betrieben gilt der Bundesentgeltrahmentarifvertrag Papier?
Der Vertrag ist für alle Betriebe bindend, die unter den Flächentarifvertrag der papiererzeugenden Industrie fallen. In diesen Betrieben sind rund 40.000 Arbeitnehmer*innen beschäftigt.
Welche Vorteile hat der BETV Papier gegenüber den bisher gültigen Lohn- und Gehaltsverträgen?
Bislang herrschte in weiten Teilen der Papierindustrie eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Die vorhandenen Entlohnungsstrukturen unterschieden nach Löhnen und Gehältern, also nach Angestellten und Arbeitern. Ein jahrzehntealtes Relikt, das nicht zur hochmodernen Branche passt. Mit der Einführung der Entgeltgitter für alle Beschäftigtengruppen ändert sich das jetzt. Der einheitliche Entgeltrahmentarifvertrag differenziert nicht mehr zwischen gewerblicher und kaufmännischer Tätigkeit und macht dadurch die Verteilung der Entgelte gerechter. Denn bisher erhielten Papiertechnolog*innen beispielsweise nach dem Abschluss ihrer dreijährigen gewerbliche Ausbildung einen Lohn, der gleichblieb. Im Gegensatz dazu stieg das Gehalt einer Kauffrau/eines Kaufmanns für Bürokommunikation nach der Ausbildung mit wachsender Erfahrung an.
Was ist eine Entgeltgruppe?
Eine Entgeltgruppe ist eine bestimmte Eingruppierungsgruppe. Sie wird durch Entgeltstufen differenziert. Jeder Entgeltgruppe ist eine bestimmte Ausbildung, Qualifikation, Berufsbild und Erfahrung zugeordnet. Im BETV Papier gibt es 13 Entgeltgruppen.
Wie unterscheiden sich die Entgeltgruppen und wie werden sie unterteilt?
Die Entgeltgruppen werden jeweils durch einen Oberbegriff und Orientierungsbeispiele definiert. Der Oberbegriff beschreibt die Anforderungen, die in den einzelnen Entgeltgruppen an die jeweilige Tätigkeit gestellt werden. Anhand diesem werden die betrieblichen Tätigkeiten den einzelnen Entgeltgruppen zugeordnet.
Der Entgeltgruppenkatalog beginnt demnach mit dem Oberbegriff von „Tätigkeiten, die nach kurzer Einweisung verrichtet werden können“ (Entgeltgruppe 1). Dazu gehören zum Beispiel Hilfstätigkeiten und saisonale Arbeiten als Aushilfs- und Zubringertätigkeiten. Die Entgeltgruppe 6 hingegen setzt eine einschlägige mindestens dreijährige abgeschlossene Berufsausbildung voraus und erfordert durch mehrjährige, einschlägige Berufserfahrung vertiefte Fachkenntnisse und Fertigkeiten. Orientierungsbeispiele sind selbstständig arbeitende Handwerker, Tätigkeiten als Laborant oder in der kaufmännischen Sachbearbeitung. In die Entgeltgruppe 12 fallen Aufgabenbereiche, die nach allgemeinen Richtlinien selbstständig und eigenverantwortlich bearbeitet werden. Die Tätigkeiten erfordern in der Regel einen Studienabschluss oder einen gleichwertigen Abschluss und langjährige Berufserfahrung. Das gilt unter anderem für Leiter mehrerer oder komplexer Meisterbereiche oder Führungskräfte ohne Personalverantwortung mit eigenem Zuständigkeitsbereich.
Wie werde ich in den BETV eingruppiert?
Eingruppiert werden die Beschäftigten anhand der so genannten tariflichen Regelüberführung. Das hat die IGBCE durchgesetzt. Und das bedeutet, dass die regionalen Tarifparteien für ihre regionalen Tarifbezirke festlegen, dass die ehemalige Lohngruppe 3 beispielsweise nun der Entgeltgruppe 5 entspricht. Die Regelüberführung findet nach der ausgeübten Tätigkeit sowie nach den bisher bestehenden Eingruppierungen statt.
Was passiert, wenn Unternehmen und Betriebsrat sich nicht über die Zuordnung betrieblicher Tätigkeiten zu einer Entgeltgruppe einigen?
In dem Fall entscheiden darüber die regionalen Tarifvertragsparteien auf Antrag von Unternehmen oder Betriebsrat.
Wie werde ich eingruppiert, wenn ich eine Tätigkeit ausübe, für die ich angelernt, aber nicht ausgebildet bin?
Die Art des Erwerbs und des Nachweises der für die Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten ist an keine bestimmten Bedingungen gebunden. Die Fähigkeiten können auch über Berufserfahrung in der Praxis erlangt werden. Das bedeutet: Soweit die Merkmale einer Entgeltgruppe einen bestimmten beruflichen Ausbildungsgang beschreiben, ein Beschäftigter diesen aber nicht durchlaufen hat, wird er in diese Entgeltgruppe eingruppiert, wenn seine übertragene und ausgeführte Tätigkeit die Anforderung dieser Entgeltgruppe erfüllt. Andrerseits begründet ein bestimmter beruflicher Ausbildungsgang allein keinen Anspruch auf Eingruppierung in eine bestimmte Entgeltgruppe. Im Zweifelsfall wird ein Beschäftigter in diejenige Entgeltgruppe eingruppiert, die seinem Aufgabenkreis am nächsten kommt.
Wie werde ich eingruppiert, wenn ich mehrere Tätigkeiten ausübe, die in verschiedenen Entgeltgruppen fallen?
In diesem Fall wird der*die Beschäftigte in die Entgeltgruppe eingruppiert, von deren Tätigkeit mehr als 50 Prozent der ihm*ihr übertragenen Tätigkeiten entsprechen.
Wie funktioniert die Zuordnung zu den Entgeltstufen innerhalb der Entgeltgruppen?
Die Beschäftigten werden den Entgeltstufen, also den Untergruppierungen innerhalb der Entgeltgruppen, dem Senioritätsprinzip zugeordnet. Das heißt, dass die Einstufung nach Erfahrung in Schritten von zwei Tätigkeitsjahren erfolgt.
Wie wird bestimmt, wie viel Entgelt es pro Entgeltstufe gibt?
Den Entgeltstufen sind tarifliche Entgeltsätze zugeordnet. Diese Entgeltsätze legen die regionalen Tarifvertragsparteien für die jeweiligen Tarifbezirke fest.
Was passiert, wenn ich durch die neue Eingruppierung weniger Entgelt bekomme als vorher (Besitzstandsregelungen)?
Ergeben sich durch den Übergang von Lohn und Gehalt in Entgelt tarifliche Entgeltminderungen, werden die Differenzbeträge über einen Zeitraum von 15 Jahren als tarifliche Ausgleichszulagen garantiert. Die tariflichen Ausgleichszulagen werden bei Tariferhöhungen jeweils um den gleichen Prozentsatz erhöht wie das Tarifentgelt, also tarifdynamisch angepasst.
Erhalten jetzt alle Papierbeschäftigten in Deutschland mit gleichem Aufgabenbereich das gleiche Entgelt?
Nein. Der BETV legt zwar bundesweit einheitliche Entgeltgruppen und Entgeltgitter fest, er wird dann aber von den regionalen Arbeitgeberverbänden und den IGBCE-Landesbezirken auf regionaler Ebene umgesetzt. Die regionalen Unterschiede werden dabei nicht ad acta gelegt. So ist es zum Beispiel auch in der Chemiebranche üblich.
Wann tritt der BETV in Kraft?
Der BETV Papier tritt am 1. Oktober 2022 in Kraft.
Wie geht es jetzt weiter?
Nachdem der BETV am 1. Oktober in Kraft tritt, muss er noch regional und betrieblich umgesetzt werden. Die regionalen Arbeitgeberverbände und IGBCE-Vertretungen müssen den Vertrag an die regionalen Tarifbezirke anpassen. Sie müssen also die neuen Entgeltsätze für die regionalen Tarifbezirke festlegen. Das soll bis zum 30. Juni 2023 erfolgen.
Wann beginnt die Umsetzung in den Betrieben?
Die Betriebe starten mit der Eingruppierung der Beschäftigten, sobald die regionalen Entgeltsätze stehen (tarifliche Regelüberführung). Dafür haben sie dann zwölf Monate Zeit.