Brumadinho / Brasilien

Brasilien: Opfer des Staudamm-Unglücks hoffen auf Gerechtigkeit

Im Januar 2019 brach der Staudamm einer Eisenerzmine im brasilianischen Brumadinho, 272 Menschen verloren ihr Leben. Die Hinterbliebenen fordern bis heute Entschädigung. Auch in Deutschland - denn es war eine Tochtergesellschaft des TÜV Süd, die den Damm kurz zuvor als sicher zertifiziert hatte. Die IGBCE unterstützt die Betroffenen bei ihrer Klage gegen den Prüfkonzern. Das Landgericht München hat eine Entscheidung für den 19. September angekündigt. 

Brumadinho

Am Ortseingang der Kleinstadt Brumadinho wird deutlich, wie tief die Verzweiflung, Trauer und Wut der Angehörigen sitzt. Sie haben 270 Bilder der Todesopfer auf den Ortsnamen geklebt. 

Foto: © IGBCE - Michael Wolters

Die Katastrophe ereignete sich am 25. Januar 2019: Der Damm des Rückhaltebeckens der Eisenerzmine Córrego do Feijão in Brumadinho brach und löste eine Lawine aus giftigem Schlamm aus. Sie vernichtete innerhalb weniger Minuten angrenzende Siedlungen, zerstörte Straßen und Gebäude und vergiftete den nahegelegenen Fluss. 272 Menschen starben. 245 waren Beschäftigte des Bergbaukonzerns Vale oder Leiharbeiter, und viele von ihnen waren Mitglieder der brasilianischen Gewerkschaft CNQ-CUT, eine Partnergewerkschaft der IGBCE.  

Hoffnung auf finanzielle Wiedergutmachung 

Die Rufe nach einer Teilverantwortung des TÜV Süd reißen seitdem nicht ab. Inwieweit die Zentrale in Deutschland hierfür zur Verantwortung gezogen werden kann, ist Gegenstand einer Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht München. Eine Entscheidung hat das Gericht für den 19. September angekündigt. Die IGBCE unterstützt die Klage der Angehörigen der Opfer vor einem deutschen Gericht zur Klärung der Mitverantwortung der deutschen Prüfgesellschaft.  

Ende Januar 2022 hatte die Gewerkschaft in einer gemeinsamen Videokonferenz mit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien mit Opfern und ihren Vertretern gesprochen. Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis erklärte damals „Der TÜV Süd ist das Mutterunternehmen der brasilianischen Gesellschaft, die wider besseres Wissen dem Damm in Brumadinho eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hat. Deshalb ist es moralisch, aber auch rechtlich richtig, dass auch die Zentrale zur Verantwortung gezogen wird, zumal sie über den Vorgang Bescheid wusste und ihren Segen zu der unrichtigen Entscheidung gab.“  

Brumadinho: Die Aufräumarbeiten in der Vale-Mine gehen voran.

Die Aufräumarbeiten in der Vale-Mine gehen voran. Am Rande der Mine soll eine Gedenkstätte entstehen. 

Foto: © IGBCE - Michael Wolters

Denn das Unglück kam nicht völlig überraschend: Bereits im Jahr vor dem Dammbruch gab es Anzeichen für Mängel. Der Damm des Absatzbeckens war statt mit einer soliden Dammmauer aus Beton lediglich aus verhärtetem Schlamm errichtet, der deutlich weniger Druck aushält. Diese Bauweise kommt bei neueren Minen gar nicht mehr zum Einsatz - die Mine Córrego do Feijão in Brumadinho aber zählt zu den ältesten des Landes. 

Trotzdem zertifizierte ein Tochterunternehmen des TÜV Süd sechs Monate vor dem Dammbruch die Sicherheit des Bauwerks. Zahlreiche Dokumente und Nachrichten, die den Gerichten in Brasilien und Deutschland vorliegen, belegen allerdings, dass die Prüfer über die Gefährlichkeit des Dammes Bescheid wussten. Trotzdem erhielt der Betreiber, der Eisenerzproduzent Vale, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Damm. Wohl auch, weil das Unternehmen der Prüfgesellschaft Folgeaufträge in Aussicht gestellt hatte. 

Betroffene berichten von unendlicher Trauer 

Michael Wolters, Fachsekretär in der Abteilung Politik und Internationales bei der IGBCE, machte sich vergangenen Monat ein eigenes Bild von der Lage vor Ort und sprach mit den Betroffenen. Sie berichteten von ihren Erlebnissen: So habe der plötzliche Kollaps des Damms in gerade einmal zwei Minuten das gesamte Gelände überschwemmt. Dass die Opferzahlen so hoch seien, liege auch daran, dass sich die Verwaltung und das Kantinengebäude unmittelbar vor dem Damm befanden. Dort kamen auch die meisten Opfer zu Tode. Die Familien der Opfer haben sich zu einer Interessengemeinschaft – sie heißt Avabrum – zusammengeschlossen. Sie setzt sich für eine gerechte Entschädigung aller Hinterbliebenen ein.  

„Die Menschen sind auch dreieinhalb Jahre nach der Katastrophe nicht zur Ruhe gekommen“, so der Fachsekretär. Einerseits setzten vielen Betroffenen die Rechtsstreitigkeiten über die Höhe der Entschädigungen zu. Je nach Verwandtschaftsgrad variieren diese. Andererseits seien viele Angehörige noch damit beschäftigt, ihre Trauer zu bewältigen. Wolters: „Eine Mutter berichtete mir von ihrer Tochter: Viermal haben die Helfer in größeren Abständen Teile ihrer Tochter gefunden. Sie hat ihre Tochter also viermal beerdigt und immer wieder ist dabei die unendliche Trauer hochgekommen.“ Auch hier unterstützt die Opferinitiative Avabrum. Sie hat in ihrem Vereinshaus Möglichkeiten zur Trauer- und Traumabewältigung geschaffen.  

Brumadinho: Die Mitglieder von Avabrum setzen sich für eine gerechte Entschädigung aller Hinterbliebenen ein.

Die Mitglieder von Avabrum setzen sich für eine gerechte Entschädigung aller Hinterbliebenen ein. Sie fordern außerdem eine Politik, die sicherstellt, dass so ein Unglück nie wieder passiert. 

Foto: © IGBCE - Michael Wolters

Verantwortung in Lieferketten 

Im Gespräch mit örtlichen Journalistinnen und Fernsehsendern unterstrich Wolters die Notwendigkeit der juristischen Aufklärung in Deutschland. „Dieses Urteil und auch das ab dem kommenden Jahr greifende Lieferkettengesetz wird dazu beitragen, dass multinationale Konzerne in Lieferketten mehr Verantwortung für Menschenrechte und Umweltschutz übernehmen müssen“, so Wolters. Die IGBCE mache sich seit Jahren dafür stark. „Brumadinho mahnt zu mehr Verantwortung auf allen Ebenen, auch bei Dienstleistungen, die der Überprüfung von Sicherheitsgesetzen dienen.“