Hunderte Delegierte, hunderte Anträge - und die große Herausforderung der Transformation fest im Blick: Auf virtuellen Konferenzen haben die Ehrenamtlichen in der IG BCE am "Super-Wahlsamstag" die Weichen für die Zukunft ihrer Landesbezirke gestellt. In NRW diskutierten sie engagiert mit CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet.
Deutschlandweit sind am "Super-Wahlsamstag" der IG BCE am 8. Mai Hunderte ehrenamtliche Gewerkschafter*innen in virtuellen Delegiertenkonferenzen zusammengekommen, um die Zukunft ihrer Landesbezirke zu gestalten. In den Landesbezirken Nordrhein und Westfalen waren Nordrhein-Westfalens (NRW) Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und Michael Vassiliadis dabei. Neben den Konferenzen in Nordrhein-Westfalen tagten auch die Delegierten in den Landesbezirken Hessen-Thüringen, Rheinland-Pfalz/Saarland, Baden-Württemberg und Bayern.
Der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis ging in seinen Beiträgen zu den Konferenzen in Nordrhein und Westfalen auch auf die geplanten Änderungen des Klimaschutzgesetzes nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein. „Karlsruhe hat der Politik ins Stammbuch geschrieben, einen konkreten Fahrplan für den klimagerechten Umbau der Industriegesellschaft in den kommenden Jahrzehnten vorzulegen. Der jetzt vorgelegte Entwurf für das geänderte Klimaschutzgesetz formuliert dagegen lediglich schärfere Ziele“, so Vassiliadis. Wie diese genau umgesetzt werden sollten, bleibe der Entwurf schuldig. „Wir können uns immer ambitionierte Klimaziele geben: Ohne eine schlüssige politische Roadmap zu ihrer Erreichung vergrößert sich nur die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit.“
Diese Roadmap müsse einen radikalen Ausbau alternativer Energieträger und der Netze umfassen – zur Not auch unter Beseitigung hemmender Widerstände im rechtlichen und planerischen Bereich. Es brauche einen beschäftigungsfreundlichen Garantiepreis für grünen Industriestrom ebenso wie einen Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen für die energieintensiven Branchen. Gleichzeitig warnte Vassiliadis vor sozialen Verwerfungen wegen stark steigender CO2-Preise. Sie würden die Schwächsten in der Gesellschaft am härtesten treffen. „Wenn wir den Klimaschutz nicht sehr konkret sozial gerecht gestalten, schaffen wir ein neues Klima-Prekariat“, sagte der IG-BCE-Vorsitzende. Nötig seien unter anderem ein pauschales Klimageld als Ausgleich für steigende Abgaben, ein höheres Mobilitätsgeld für steigende Pendler-Kosten und ein Schutz vor Mieterhöhungen bei energetischer Gebäudesanierung.
Die Herausforderungen und Chancen der Transformation für den Industriestandort Deutschland standen im Mittelpunkt der Diskussion zwischen Michael Vassiliadis und Armin Laschet. In dem digitalen Streitgespräch, das die Delegierten der beiden Landesbezirke in Nordrhein-Westfalen verfolgen konnten, machte Laschet deutlich, dass Nordrhein-Westfalen auch künftig ein Industrieland bleiben müsse und Gewerkschaften hierfür starke Partner seien. „Wir müssen die 20er-Jahre zu einem Modernisierungsjahrzehnt machen", sagte er. Das gelinge nur mit starken Gewerkschaften. „Das heißt vor allem und konkret: Wir müssen gerade jetzt in der Krise entschlossen in Digitalisierung und Klimaschutz investieren." Es müsse gelingen, unsere Wirtschaft umzubauen und das Ziel einer klimaneutralen und wettbewerbsfähigen Industrie zu erreichen. „Das geht nur, wenn Politik, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenarbeiten. Die IG BCE bleibt dabei ein wichtiger Partner: Sie hat in der Vergangenheit, ob beim Kohle- oder beim Atomausstieg, gezeigt, dass sie Transformation kann“, so Laschet. Der Ministerpräsident bekräftigte, dass in jedem Fall die soziale Absicherung des schrittweisen Auslaufens der Kohleverstromung gewährleistet werde. Mit Blick auf das rheinische Revier sagte der Ministerpräsident „Wir wollen und müssen neue industrielle Arbeitsplätze schaffen und der Region eine langfristige Perspektive geben.“
Darüber hinaus standen die Corona-Krise sowie ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen im Zentrum des Gesprächs. „Corona verstärkt den Trend zunehmender Ungerechtigkeit und Spaltung“, sagte Vassiliadis. „Das Virus trifft die Schwächsten am härtesten – besonders da, wo es an gewerkschaftlicher Gestaltung fehlt.“ Laschet sagte, „vor allem benachteiligte Kinder müssen auch über die Krise hinaus besonders gefördert werden“. Die Politik müsse alles in ihrer Macht stehende tun, um Kindern und Jugendlichen schnell wieder einen geregelten Schulbesuch zu ermöglichen. “Dabei denke ich vor allem an Familien mit kleinen Wohnungen und wenig Platz.“
Skeptisch zeigten sich Laschet und Vassiliadis gegenüber dem Vorschlag des amerikanischen Präsidenten, den Patentschutz für Corona-Impfstoffe aufzuheben. Das sei extrem problematisch, so der Ministerpräsident, weil es auch darum gehen müsse, europäisches Wissen und Know-how zu schützen. Vor allem aber löse die Aufhebung des Patentschutzes nicht die tatsächlichen Produktionsengpässe. Vassiliadis befürwortete als Alternative eine Erweiterung der Vergabe von Lizenzen zur Produktionssteigerung, nach dem Beispiel von Curevac und Bayer in Nordrhein-Westfalen.
"Wir nehmen Herrn Laschet beim Wort, wenn er uns zusichert, dass er zum Industriestandort Deutschland steht“, machte Landesbezirksleiter Frank Löllgen deutlich „Wir werden sehr aufmerksam sein Programm lesen und ihn an seinen Handlungen messen. Industrie darf nicht als Problem, sondern muss als Teil der Lösung für die dringenden Zukunftsfragen begriffen werden. Industrie ist auch die Basis für gute Arbeit in mitbestimmten Betrieben mit tariflichen Regelungen. Das ist für uns der Maßstab!“, so der Leiter des mit gut 100.000 Mitgliedern größten Landesbezirks der IG BCE.
Die Konferenzen fanden in Folge der Corona-Pandemie erstmals in einer hybriden Form statt. Damit sie entsprechend den Satzungsvorgaben abgehalten werden konnten, waren unter den vorgegebenen Hygienebedingungen lediglich einige Teilnehmer*innen persönlich anwesend. „Wir konnten am 8. Mai einiges auf den Weg bringen und haben gezeigt, dass die IG BCE das digitale Miteinander organisieren kann, – auch wenn wir unseren Kolleginnen und Kollegen lieber von Angesicht zu Angesicht begegnen“, so Löllgen.