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AT: Ohne Tarif und ohne Rechte?

Außertarifliche Beschäftigte sind eine wachsende Gruppe von Mitarbeitern. Ein Grund dafür ist die zunehmende Akademisierung in vielen Jobs. Doch war die Einstufung als AT-Mitarbeiter früher oft mit einem höheren Status und einem gewissen Prestige versehen, kommt für Beschäftigte mittlerweile oft das böse Erwachen – sie empfinden den Status als Mogelpackung, weil er ihnen massive Nachteile beschert. Was hilft, um gar nicht erst in die Falle zu tappen?

Experten schätzen, dass es mittlerweile Betriebe gibt, in denen mehr als 40 Prozent der Beschäftigten sogenannte AT-Verträge haben. Diese Verträge haben meistens keine Festlegung der Arbeitszeit. Fehlt eine ausdrückliche Regelung dazu, muss man allerdings auch bei AT-Angestellten davon ausgehen, dass es sich um ein Vollzeitarbeitsverhältnis mit der betriebsüblichen Arbeitszeit handeln soll. Gibt es keine Betriebsvereinbarungen zur betriebsüblichen Arbeitszeit, ist der rechtliche Rahmen auch für AT-Angestellte, die nicht gleichzeitig leitende Angestellte sind, das Arbeitszeitgesetz.


AT und Rechte

AT und ihre Rechte

Foto: © Pixelio

Von AT-Angestellten wird meistens erwartet, dass sie Mehrarbeit leisten. Dann ist fraglich, ob und wie diese bezahlt wird. Die Vergütung mittels eines Pauschalbetrags ist zwar in einem gewissen Rahmen erlaubt, darf aber nicht dazu führen, dass es ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gibt. Sehr häufig enthalten Verträge die Klausel "etwa erforderliche Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten". Diese Klausel ist unwirksam, weil sie nicht transparent genug ist. Denn es ist dabei nicht klar, wie viele Überstunden ohne zusätzliche Vergütung geleistet werden müssen.

Praxistipp: Es sollte daher immer konkret im Vertrag geregelt werden, wie viele Mehrarbeitsstunden durch höhere Vergütung abgegolten sein sollen.

In dem Zusammenhang sollte auch § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 Nachweisgesetz beachtet werden. Danach muss der Arbeitgeber "die vereinbarte Arbeitszeit" schriftlich niederlegen und die Niederschrift dem Arbeitnehmer aushändigen. Käme der Arbeitgeber auf die Idee, mit dem AT-Angestellten zu vereinbaren, dass er für Überstunden keine gesonderte Vergütung erhält, wäre das unwirksam. Allerdings heißt das nicht umgekehrt, dass jeder AT-Angestellte automatisch einen Anspruch auf Überstundenvergütung hat. Wer „Dienste höherer Art“ leisten muss, hat darauf keinen Anspruch. Darunter fallen Tätigkeiten, die ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnissen, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung voraussetzen. Auch wer ein deutlich höheres Gehalt bekommt hat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keinen Anspruch darauf, dass er für jede Überstunde automatisch bezahlt wird.

Wer ist ein Besserverdiener?

Diese beiden Ausnahmen liegen bei AT-Angestellten oft vor. Fraglich ist aber, wann eine deutlich herausgehobene Vergütung vorliegt, sprich, wann ist man ein Besserverdiener? Das ist der Fall, wenn das Gehalt die die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Solche Angestellte werden nach der Erfüllung ihrer Aufgaben bezahlt und nicht danach, dass sie ein bestimmtes Soll an Stunden erfüllen.

Und was ist mit der Arbeitszeit? 

Auch wenn in AT-Verträgen die sogenannte Vertrauensarbeitszeit vereinbart ist, bedeutet das nicht, dass Überstunden nicht bezahlt werden müssen (s. o.). Auch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist für AT-Angestellte genauso anzuwenden wie für alle anderen Beschäftigten, denn es gilt unabhängig von der Vergütung. Sinn und Zweck des ArbZG ist es, die Gesundheit der Arbeitnehmer vor ausufernden Arbeitszeiten zu schützen. Arbeitnehmer dürfen daher in der Regel maximal zehn Stunden am Stück arbeiten – es sei denn, sie sind leitende Angestellte. Bei diesen müssen besondere Kriterien erfüllt sein, wie etwa Einstellungs- und Entlassungsbefugnis oder Prokura. Das können zwar AT-Angestellte sein, aber nicht jeder AT-Angestellte ist auch leitender Angestellter und hat diese weiten Befugnisse.

Generell ist Bewegung beim Thema „Arbeitszeit“: Eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 14.5.2019 – C-55/18) verpflichtet die Nationalstaaten, den Arbeitgebern aufzugeben, ein System zur Erfassung von Arbeitszeiten aller Beschäftigter einzurichten. Dieses System muss verlässlich sein, das heißt weitestgehend manipulationssicher. Einzelne deutsche Arbeitsgerichte sehen bereits ohne Änderung des deutschen Arbeitszeitgesetzes die Pflicht der Unternehmen, die Arbeitszeit aller Beschäftigten zu erfassen. Doch zunächst muss die deutsche Umsetzung der Entscheidung abgewartet werden. 

Wenn einer eine Reise macht …

Oft sind auch Reisezeiten bei AT- Mitarbeitern laut Arbeitsvertrag mit dem Monatsgehalt abgegolten. Allerdings gibt es auch hier erst bei einer erheblichen zusätzlichen zeitlichen Belastung auch einen Anspruch auf zusätzliches Entgelt. Grundsätzlich gehört die Anordnung von Dienstreisen zum Direktionsrecht des Arbeitgebers. Betriebsräte können zwar nicht direkt mitbestimmen bei der Frage, wann und wie Dienstreisen zu machen sind. Das Mitbestimmungsrecht kann jedoch aus den Vorschriften über die Mitbestimmung bei der Arbeitszeit, bei personellen Maßnahmen oder beim Arbeitsschutz abgeleitet werden. Gute Regeln können mittels Betriebsvereinbarung, die auch für AT-Angestellte gelten, umgesetzt werden. Außerdem können sich alle Mitarbeiter (Ausnahme auch hier: die leitenden Angestellten) mit individuellen Beschwerden an den Betriebsrat wenden, der der Beschwerde nachgehen muss.

Praxistipp: Auch wenn AT-Angestellte und Gewerkschaften häufig miteinander „fremdeln“: Angesichts der Komplexität der Themen, sind auch AT-Angestellte gut beraten, sich gewerkschaftlich zu organisieren, um dann auch in den Genuss von gewerkschaftlicher Unterstützung und Beratung zu kommen. Helfen kann dabei: Beratungsangebote schaffen, Netzwerke pflegen ­- etwa bei Veranstaltungen, und damit Kontakte und Vertrauen aufbauen.

Weitere Infos/Tipps:


  • Hier noch der Link auf einen aktuellen Beitrag aus „AiB-Audio – Podcast für erfolgreiche Betriebsratsarbeit“:

Außertariflich Beschäftigte dürfen nicht über ihr Gehalt sprechen und da sie so gut bezahlt werden, gilt auch das Arbeitszeitgesetz nicht. Und der Betriebsrat ist auch wirklich nicht für AT-Beschäftigte zuständig! Es gibt viele Mythen zu AT- Beschäftigten – diese klärt Eva-Maria Stoppkotte, Chefredakteurin der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb, in diesem Podcast auf. Sie ist dazu im Gespräch mit der AT-Expertin Dr. Lyudmyla Volynets von der IG BCE und erläutert, wie sich Betriebsräte erfolgreich für die AT-Beschäftigten einsetzen können.

https://www.bund-verlag.de/aktuelles~podcast-at-beschaeftigte-volynets~.html


  • Aktueller Literaturtipp:

Achim Thannheiser: „AT-Beschäftigte. Handlungshilfe für Betriebsräte“, Bund-Verlag, Frankfurt, 2021, € 16,-, 104 Seiten, ISBN 978-3-7663-7049-5, erscheint am 30.09.2021