Der Betriebsrat BASF in Lemförde hat sich für eine umfassende Inklusionsvereinbarung eingesetzt. Das Ziel: Die Belastung der Schwerbehinderten und ihnen Gleichgestellten senken, für Entlastung zu sorgen und Perspektive zu schaffen. Dafür wurde das Projektteam für den deutschen Betriebsrätepreis nominiert.
Die BASF Polyurethanes GmbH in Lemförde gehört zu den Markt- und Technologieführern für Polyurethan-Systeme und Kunststoffspezialitäten in Europa. Rund 1700 Beschäftigte arbeiten an dem Standort. Eine von ihnen ist Sabine Craemer-Böcker. Nach acht Jahren in der Schwerbehindertenvertretung (SBV), ist sie 2018 Teil des 16-köpfigen Betriebsratsgremiums geworden. In diesem Jahr folgte die Wahl zur Betriebsratsvorsitzenden.
Um die Interessen der Schwerbehinderten und ihrer Angehörigen in den Fokus zu rücken, hat sich das Gremium für eine Inklusionsvereinbarung eingesetzt. „Wir wollten beispielsweise die Unterstützung von Eltern mit schwerbehinderten Kindern klären. Gleichzeitig wollten wir dem Wunsch der betroffenen Kolleginnen und Kollegen nach zeitlicher Entlastung mit zunehmendem Alter nachkommen“, sagt die Betriebsratsvorsitzende. Zu Beginn der Planungen der SBV und des Betriebsrates hat die Arbeitgeberseite die Notwendigkeit einer Inklusionsvereinbarung noch in Frage gestellt.
„Schlussendlich fehlte das nötige Wissen, um die Thematik vernünftig einordnen zu können“, sagt Craemer-Böcker. Aber auch dafür sei ein Betriebsrat letztlich da. „Themen und Probleme erkennen, einordnen und für Lösungen sorgen.“ Das alles seien zentrale Punkte moderner Betriebsratsarbeit. „Und, wenn du das dann auch noch offen, transparent und respektvoll mit deinem Gegenüber besprichst, ist das schon die halbe Miete.“ Nach umfangreicher Recherche entwickelten Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung ihre Formulierungen für einen Arbeitsentwurf. Auch die Belegschaft wurde regelmäßig über die Verhandlungen in Betriebsversammlungen unterrichtet. Es folgten zahlreiche Verhandlungstermine mit dem Arbeitgeber. „Wir haben auf eine schlüssige Argumentationslinie geachtet, warum und wieso die Förderungen in der Inklusionsvereinbarung wichtig sind und wie sie umgesetzt werden sollten.“ Das Verständnis für freie Tage bei Eltern mit schwerbehinderten Kindern war laut der Betriebsratsvorsitzenden recht schnell hergestellt. Auch die Übernahme zusätzlicher Kosten etwa bei möglicher Ferienbetreuung sei schnell akzeptiert worden.
Letztlich haben sich beide Parteien auf ein umfangreiches Regelungspaket geeinigt. Es beinhaltet Vereinbarungen zu Qualifizierung, Prävention, frühere Arbeitszeitentlastung, Rehabilitation, Ferienbetreuung, Zusatzurlaub für Gleichgestellte und eben die bezahlte Freistellung für Eltern mit schwerbehinderten Kindern. „Mit der getroffenen Vereinbarung können wir die gesundheitlichen Belastungen der betroffenen Kolleginnen und Kollegen minimieren und sie frühzeitig entlasten. Was ihnen wiederum eine lange Teilnahme am Arbeitsleben ermöglicht“, so Craemer-Böcker. Demnach werden für Schwerbehinderte und Gleichgestellte bereits ab 55 Jahren Entlastungen in der Wochenarbeitszeit eingerichtet, für Beschäftigte in Schichtarbeit ab 53 Jahren. Schwerbehinderte haben ohnehin einen gesetzlichen Anspruch auf fünf zusätzliche Urlaubstage. Gleichgestellte haben diesen Anspruch nicht, bekommen dank der Inklusionsvereinbarung aber zwei zusätzliche Tage. Eltern mit schwerbehinderten Kindern bekommen für begleitende Arztbesuche bis zu sechs Tage Freistellung.
„Diese Inklusionsvereinbarung zeigt eindrucksvoll, was alles für Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte geht, wenn gut vorbereitete Interessenvertretungen an einem Strang ziehen und so eine gesetzliche Vorlage mit Leben füllen“, sagt Kerstin Jerchel, Bereichsleiterin Mitbestimmung bei der Ver.di-Bundesverwaltung und Jurorin des diesjährigen Betriebsrätepreises, zum nominierten BASF-Projekt. „Belastungen werden minimiert, Entlastungen ermöglicht, berufliche Perspektiven eröffnet.“