Tarifrunde Papier

1. Runde gestartet: IGBCE fordert gleiches Plus für alle Beschäftigten

Am 19. Oktober starten die Tarifverhandlungen für die 40.000 Beschäftigten der Papierindustrie in Fulda. Die IGBCE fordert eine deutliche Steigerung der Vergütungen um einen tabellenwirksamen Festbetrag und einen höheren Schichtzuschlag.

Papier-Tarifrunde in Fulda
Foto: © Alexander Reupke

IGBCE-Verhandlungsführer Frieder Weißenborn betont: „Die allermeisten Unternehmen in der Papierbranche haben die Corona-Krise gut überwunden und fahren seit Monaten trotz gestiegener Gaspreise hohe Gewinne ein. Die Preise für die Energiekosten können sie einfach weitergeben.“ Die Beschäftigten hingegen könnten das nicht: „Sie müssen ihre Rechnungen bezahlen.“ Weißenborn unterstreicht deshalb: „Gute Arbeit muss sich lohnen, gerade in Krisenzeiten. Mit dem Festbetrag wollen wir die Kaufkraft der Beschäftigten sichern.“

In den Fokus dieser Tarifrunde stellt die IGBCE außerdem die Schichtarbeitnehmerinnen und Schichtarbeitnehmer. Weißenborn betont: „Ihre Arbeit möchten wir durch die Verdopplung der Durchfahrzulage attraktiver gestalten.“ Schon jetzt hätten viele Unternehmen massiv Probleme, Beschäftigte für die Schichtarbeit zu finden.

Die Bundestarifkommission fordert, dass die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen zum 1. Oktober 2022 um einen tabellenwirksamen Festbetrag steigen, der unter Beachtung der Preissteigerungsrate die Kaufkraft der Mitglieder sichert. Damit ist gemeint, dass es keine prozentuale Erhöhung geben soll. Stattdessen sollen die Vergütungen aller Beschäftigten – unabhängig davon, zu welcher Berufsgruppe sie gehören– um eine gleiche Summe (einen Festbetrag) steigen.

Außerdem soll die Attraktivität der Schichtarbeit durch die Verdopplung der Durchfahrzulage gesteigert werden. Die Durchfahrzulage erhalten Beschäftigte, die im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb arbeiten. In der Papierindustrie arbeiten zwei Drittel aller Beschäftigten im Durchfahrbetrieb. Derzeit liegt die Zulage bei fünf Prozent. Die IGBCE-Tarifkommission will sie in dieser Tarifrunde auf zehn Prozent verdoppeln.

Die Laufzeit des Tarifabschlusses soll sich an dem Gesamtpaket orientieren.

Bundestarifkommissionsmitglied Alois Soring von Nordland Papier unterstreicht: „Die Forderung, die wir jetzt mit dem Festbetrag aufgestellt haben, finde ich super. Ich glaube, dass es gerade den Kolleginnen und Kollegen in den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen hilft, weil die natürlich aufgrund der hohen Energiekosten und der hohen Preissteigerungsrate am meisten betroffen sind.“

Ähnlich sieht das Frank Gottselig von dem Hygienepapierhersteller Essity: „Ich finde die Forderung gut, weil wir nicht wissen, wie sich die Preissteigerungsrate entwickeln wird. Deswegen finde ich klasse, dass wir keine prozentuale Forderung haben.“ Solch eine Situation habe er in 30 Jahren Tarifpolitik noch nicht erlebt. Im Oktober, wenn die Verhandlungen starten, könne man die konkreten Zahlen dann genau bewerten.

Die Branche

Die Papier erzeugende Industrie ist breit gefächert: Rund 3000 verschiedene Papiersorten gibt es, unterteilt in vier Bereiche. Mehr als die Hälfte aller Papiere wird für Verpackungen produziert. Grafische Papiere machen laut dem Verband „Die Papierindustrie“ mit Zeitungen und Zeitschriften rund 28 Prozent aus. Hygienepapiere, also etwas Toilettenpapier und Küchenrolle, haben einen Anteil von sechs Prozent an der Gesamtproduktion. Zu technischen und Spezialpapieren (sieben Prozent an Papierproduktion) zählen zum Beispiel Papiere für Etiketten, Teebeutel oder Zigaretten.

Trotz der Preissteigerungen durch die gestiegenen Energiepreise bleibt die Nachfrage nach den Produkten der Branche hoch: Lange war die Produktion von grafischen Papieren wegen sinkender Zeitungsauflagen rückläufig. Im Jahr 2021 legte sie jedoch um neun Prozent zu und wuchs auch im ersten Halbjahr dieses Jahres. Laut dem Marktforschungsinstitut GfK lagen die Umsätze bei den Hygienepapieren mit Papiertaschentüchern, Toilettenpapier und Küchenrolle im Lebensmittelhandel im Juni deutlich über dem Vorjahresniveau. Um 36 Prozent stieg beispielsweise der Umsatz an Taschentüchern. Auch in anderen Bereichen zog die Papierproduktion an, zum Beispiel bei den Verpackungen. Der Papierbedarf in Deutschland ist zuletzt insgesamt gestiegen.

Zu den größten Betrieben der Branche zählen unter anderem der Hersteller grafischer Papiere UPM, der Hygieneartikelproduzent Essity Operations und das Papierunternehmen Sappi. Mit 25 Prozent Marktanteil ist Deutschland in der EU der größte Papierproduzent und der Viertgrößte global, nach China, den USA und Japan. Am weltweiten Markt hat die europäische Papierindustrie insgesamt einen Anteil von 23 Prozent.

Hohe Energiepreise machen Papierindustrie zu schaffen

Die Papierherstellung ist extrem energieintensiv. Viele Prozesse in der Erzeugung von Papier, Pappe und Zellstoff basieren auf Gas, die meisten Papierunternehmen haben eigene Gaskraftwerke. Erdgas wird vor allem als Wärmequelle für viele Produktionsprozesse in der Papierherstellung gebraucht, zum Beispiel für die Dampferzeugung oder für das Recyceln des Altpapiers oder für das Trocknen des Papiers. Auch der Strom, mit dem die Unternehmen die Papiermaschinen betreiben, wird meistens direkt vor Ort aus Erdgas erzeugt. Der Energieverbrauch variiert aber auch innerhalb der Branche: Besonders viel Energie benötigen die Hygienepapier-Hersteller, weil das Trocknen beim Produzieren von Toilettenpapier oder Küchenrolle besonders viel Gas braucht.

Wegen der massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise ist der Kostendruck für die Papierhersteller hoch. Laut Angaben des Arbeitgeberverbandes können die Unternehmen der Branche nur zehn bis 15 Prozent ihres Erdgasverbrauchs durch andere Energieträger (Öl, Kohle, Strom) ersetzen. Viele Unternehmen beschreiben die Situation als existenzbedrohend. Wie Weißenborn betont, ist das aber nur eine Seite der Medaille: „Ein Großteil der Papierunternehmen macht hohe Gewinne, viele über Verkauf von Energie auf dem Markt. Das können wir nicht unbeachtet lassen.“

Hinzu kommt, dass durch die kürzlich von Gaskommission vorgestellte Gaspreisbremse für die Industrie viel von diesem Kostendruck gewichen ist. Sie verschafft den Unternehmen Entlastung.

Verhandlungen starten am 19. Oktober

Am 19. Oktober kommen IGBCE und Arbeitgeber zur ersten Verhandlung in Fulda zusammen. Tarifkommissionsmitglied Marco Sandow vom Papierunternehmen LEIPA, blickt optimistisch auf diesen Termin: „Nach langer Diskussion haben wir einen guten Beschluss gefasst, der nachvollziehbar ist und der für beide Seite zu einem guten Ergebnis führen kann, wenn sie sich aufeinander zu bewegen.“ IGBCE-Verhandlungsführer Weißenborn stellt klar: „Die Arbeitgeber tun gut daran, sich nicht auf geopolitische Grundsatzfragen einzulassen, sondern mit dieser Bundestarifkommission einen Abschluss anzustreben.“

Weitere Informationen

Papierindustrie
Foto: © Helge Krückeberg
Papier-Tarifrunde

Tarifabschluss für 40.000 Beschäftigte in der Papierindustrie: In zwei Stufen werden die Vergütungen dauerhaft um einen Festbetrag von insgesamt 200 Euro erhöht. Die Durchfahrzulage steigt auf 7,5 Prozent. Außerdem erhalten die Beschäftigten das tarifliche Inflationsgeld in drei Einmalzahlungen, insgesamt 3000 Euro netto.

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Tarifrunde Papier
Offener Schlagabtausch zwischen IGBCE und Arbeitgebern

Keine Einigung: IGBCE und Arbeitgeber haben heute in Fulda nach hitzigen Diskussionen die erste Bundestarifverhandlung für die rund 40.000 Beschäftigten in der Papier erzeugenden Industrie vertagt.