Warum lohnt sich Gewerkschaft eigentlich auch für Beschäftigte außerhalb des Tarifs? Wo müssen wir uns als Organisation in Zukunft stärker einbringen und warum ist der gewerkschaftliche Ansatz auch für Außertarifliche wichtig? Diese und weitere Fragen diskutiert die IGBCE auf dem KAAT-Dialog in Frankfurt.
Hauptvorstandsmitglied Francesco Grioli (rechts) und Christian Jungvogel, Abteilungsleiter Tarifpolitik bei der IGBCE.
Als eins der größten Einzelprojekte innerhalb der Gewerkschaft hat die IGBCE das Netzwerk KAAT.net ins Leben gerufen - eine eigene Plattform für kaufmännische, akademische und außertariflich Beschäftigte. Jetzt konnten Initiator*innen und Interessierte erstmals in großer Runde zusammenkommen und in Präsenz ausgiebig über das Thema diskutieren – beim 2. KAAT-Dialog in Frankfurt. Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes, freute sich, die rund 90 Teilnehmenden „dieses Mal in echt“ und nicht nur an den Bildschirmen begrüßen zu dürfen. „Das macht Gewerkschaft aus. Zusammenkommen, gemeinsam diskutieren und sich zu sehen. Das können wir und dieser Rahmen macht es noch schöner als beim ersten Dialog im vergangenen Jahr.“
Doch warum hat die IGBCE die Gruppe der kaufmännischen, akademischen und außertariflich Beschäftigten mittlerweile so stark in den Fokus genommen? Die klare Antwort: „Weil wir als Organisation den Anspruch haben, die Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigtengruppen zu verbessern. Dafür müssen wir aber auch für alle Menschen ansprechbar sein und etwas anbieten“, so Grioli. „Wir machen tolle Angebote für kaufmännische, akademische und außertarifliche Beschäftigte, damit sie sich in unserem Solidarprinzip zu Hause fühlen. Jetzt müssen diese Menschen nur noch mitmachen.“ Gleichzeitig räumt das Vorstandsmitglied ein: „In der Vergangenheit waren wir in diesen Themen nicht so gut. Aber wir werden hier als Gewerkschaft immer besser. Unser KAAT-Netzwerk ist eine kraftvolle Initiative. Wir haben gute Konzepte, die wir jetzt in die Betriebe bekommen müssen.“
Mit Blick auf die Entwicklungen am Arbeitsmarkt wird deutlich, dass die KAAT-Gruppe immer größer wird. Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit gehen davon aus, dass in der Pharma-Branche im Jahr 2030 mehr als 47 Prozent der Angestellten KAAT-Beschäftige sind – aktuell sind es 41 Prozent. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch in der Chemie und im verarbeitenden Gewerbe.
„Aber was bieten wir diesen Leuten eigentlich als Gewerkschaft und wie können wie sie erreichen?“ Diese beiden Fragen geistern immer wieder mehr oder weniger offen durch das gut besuchte Plenum. Eveline Wengler, langjährige Betriebsrätin bei Bayer, erklärt: „Wir haben tausend gute Argumente. Die überwiegende Mehrheit der Außertariflichen ist unwissend. Wir müssen für sie sichtbar werden, an ihrer Seite stehen, die passenden Informationen zur Hand haben. Der Wissensdurst ist groß, wir brauchen ihn nur zu stillen. Dafür müssen wir unsere Betriebsräte in den Themen fit und kompetent machen.“
Konkret bietet die IGBCE bereits eine eigene KAAT-Hotline für Rechtsfragen, berät u.a. zu den Themen Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten. Es gibt den KAAT-Newsletter und die eigene Homepage kaat.net, die speziell auf die Zielgruppe zugeschnitten ist. Grioli: „Unser erklärtes Ziel ist es, mehr Außertarifliche in unsere Strukturen zu holen und ihren Themen Gehör zu verschaffen – egal ob in Betriebsräten oder Tarifkommissionen. Das haben wir noch nie so konsequent und mutig gemacht wie aktuell.“ Offenbar zahlt sich der Einsatz aus: Die Mitgliederzahlen im Bereich KAAT wachsen seit zwei Jahren kontinuierlich an. In mehreren Workshops werden beim zweitägigen KAAT-Dialog zudem Themen für diese Beschäftigtengruppe durchdiskutiert - etwa die Frage, warum AT und Tarifverträge kein Widerspruch sein müssen.
Freigestellter Betriebsrat bei Altana
„Ich bin selbst seit 20 Jahren AT-Angestellter. Die Gruppe der Außertariflichen wird immer größer – und damit für uns als Gewerkschaft immer relevanter. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Bedarf an Betreuung hoch ist, aber wir noch viel stärker mit den Leuten ins Gespräch kommen müssen. Wir müssen sie von unseren Angeboten überzeugen. Die Pflegeversicherung CareFlex ist auf jeden Fall ein Punkt, um AT´ler zu bekommen. Darauf können wir aufbauen.“
Betriebsrat bei Yncoris
„Bei uns im Unternehmen sind mindestens 20 Prozent AT´ler – Tendenz steigend. Die fühlen sich im Moment alle chronisch unterrepräsentiert mit ihren Themen und haben eigentlich keine richtigen Ansprechpartner. Da möchte ich helfen und etwas verändern. Vor allem jungen Menschen, die grade erst ins Arbeitsleben starten, ist nicht bewusst, warum sie Gewerkschaftsmitglieder werden sollten. Da müssen wir gute Argumente liefern. Ich hoffe daher, hier bei der Veranstaltung neue Idee und Anregungen mitnehmen zu können.“
Betriebsratsvorsitzender bei der MIBRAG
„Wir haben es bei uns im Laden geschafft, die AT´ler im Betriebsrat sichtbar zu machen und ihren Anteil auf 50 Prozent angehoben. Grade Angestellte ohne Tarifvertrag kommen schnell in den Bereich der Selbstausbeutung und machen Stunden ohne Ende. Da kommen wir ins Spiel und müssen die Kollegen und Kolleginnen einsammeln und gute Rahmenbedingungen schaffen. Andersrum sind die Menschen auch für uns als Gewerkschaft interessant – mit ihren hohen Löhnen bringen sie auch gute Beiträge.“