Der zweite Tag bei den Chemie-Tarifverhandlungen ist gestartet. Bei ihrer ersten Besprechung betonen die Mitglieder der Bundestarifkommission: Unsere Leute brauchen Entlastung. Die hohe Belastung der Kolleginnen und Kolleginnen spiegelt auch eine aktuelle IGBCE-Umfrage wider.
Heute Morgen ist die knapp 100-köpfige Bundestarifkommission bei den Chemie-Verhandlungen im Wiesbadener Dorint-Hotel zusammengekommen. Sie betonen: Unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben brauchen wegen gestiegener Energiepreise und hoher Inflation dringend Entlastung.
Merck
„Die Stimmung bei den Auszubildenden und dual Studieren ist angespannt, weil es für sie aktuell immer schwieriger wird, wegen gestiegener Mieten eine Wohnung zu finden und der Arbeitsweg durch die gestiegenen Spritpreise immer teurer wird.“
SABIC Polyolefine
„Die Einmalzahlung im Frühling ist sehr gut gewesen, aber jetzt reicht das nicht mehr. Die Mitglieder erwarten, dass die IGBCE bei den steigenden Energiepreisen jetzt punktet und eine dauerhafte Erhöhung durchsetzt.“
B. Braun, Vascular Systems Berlin
„Die Mitglieder erwarten ganz klar den Ausgleich der Inflationsrate. Sie sorgen sich, weil die Energiepreise stark gestiegen sind und sie immer weniger im Geldbeutel haben.“
InfraServ
„Die Stimmung ist sehr verhalten, die Energiepreise schlagen unseren Mitgliedern aufs Gemüt. Weil im privaten Umfeld alles teurer wird, erwarten sie ein gewisses Lohnplus und einen Ausgleich, um den Alltag irgendwie zu bewältigen.“
Bayer
„Unsere Kolleginnen und Kollegen fordern Entlastung, weil sie die Preise nicht mehr tragen können. Sie wollen eine tabellenwirksame Erhöhung, die die Inflationsrate abfedert.“
Was die Mitglieder der Bundestarifkommission berichtet, spiegelt sich auch in einer aktuellen Umfrage wider, die die IGBCE zu den Themen Entlastung und Inflation durchgeführt hat. Knapp 1800 Beschäftigte aus allen IGBCE-Branchen und Tätigkeitsbereichen haben daran teilgenommen. 72 Prozent von ihnen arbeiten in der Chemie- und Pharmaindustrie.
Diese Umfrage zeigt, dass die stark gestiegenen Gaspreise die Beschäftigten belasten und ihre Haushalte trifft. Nur gut ein Viertel von ihnen kann die Erhöhungen mit Einsparungen anderswo verkraften. 17 Prozent der Befragten geben an, dass sie diese Erhöhungen überfordere. Ein großer Teil ächzt ebenso unter der explodierenden Inflation: Sieben Prozent wissen nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen. Bei 35 Prozent bleibt am Monatsende nichts mehr übrig und 43 Prozent geben an, dass sie an anderer Stelle sparen müssen, um die Mehrkosten aufzufangen. Nur 15 Prozent geben an, dass es ärgerlich sei, sie sich deswegen aber nicht einschränken müssten.
Den Effekt auf das Haushaltsbudget von den drei Entlastungspaketen der Bundesregierung schätzt mehr als die Hälfte der Befragten als gering ein. Positiver bewertet werden die steuerfreien Sonderzahlungen in Höhe von bis zu 3000 Euro, die die Bundesregierung den Tarifparteien angeboten hat. Laut einem Fünftel sei das „ein prima Angebot, das wir in den kommenden Tarifverhandlungen maximal ,mitnehmen‘ sollten. Laut zwei Dritteln ist es „ein gutes Angebot“, das aber nur ein zusätzlicher Baustein zu tabellenwirksamen Tariferhöhungen sein. Zehn Prozent bewerten es als ein schlechtes Angebot.
Durch die gestiegenen Energiepreise „akut“ gefährdet ist der Standort bei sechs Prozent Befragten. Bei gut einem Fünftel wurde die Produktion bereits zurückgefahren. Knapp die Hälfte der Befragten gibt an, dass die Energiepreise bisher keine Auswirkungen gehabt hätten, dass es aber nur eine Frage der Zeit sei. Zwölf Prozent der Betriebe haben die höheren Preise einfach weitergeben können.
Präsent ist bei vielen auch die Angst vor Jobverlusten in der Industrie: Bei knapp der Hälfte der Befragten ist die Sorge groß und nur bei 17 Prozent ist sie gering oder sehr gering. Im eigenen Betrieb bewertet ein Viertel der Beschäftigten Gefahr als groß oder sehr groß, knapp 40 Prozent bewerten sie als mittel und 37 Prozent als gering oder sehr gering. Die Gefahr, dass Produktionsketten reißen und die Krise die Industrie in ihrer Breite erfasst schätzt ein Fünftel als sehr groß und 43 Prozent als groß ein. Ein knappes Drittel bewertet sie als mittel. Als gering oder sehr gering schätzen sie nur acht Prozent ein.