Energie

"Entlastung für rasant steigende Preise nötig"

Rasant steigende Strom- und Gaspreise entwickeln sich gerade zu einem Problem für die ganze Gesellschaft. Wir brauchen jetzt schnell Entlastung für unsere Kolleginnen und Kollegen und Schutz für Industriearbeit.

Michael Vassiliadis

Michael Vassiliadis

Foto: © Nicole Strasser

Denn die explodierenden Energiepreise treffen unsere IGBCE-Mitglieder gleich doppelt: zuhause und im Betrieb. Die private Stromrechnung steigt in die schwindelerregende Höhe, das Heizen wird immer teurer. Gleichzeitig arbeitet der weit überwiegende Teil unserer Beschäftigten in energieintensiven Branchen, für die sich die Preisschraube zum echten Problem entwickeln. Die Politik muss hier zügig gegensteuern.

Um mindestens 2000 Euro pro Jahr steigen laut Schätzungen die Kosten für die Strom- und Gasversorgung für einen Durchschnittshaushalt. Das ist auch für klassische Mittelstandsfamilie ein herber Schlag ins Kontor. Wir brauchen deshalb jetzt ein schnell wirkendes Entlastungspaket für private Haushalte mittleren Einkommens und für Familien.

Der von der Bundesregierung beschlossene Heizkostenzuschuss für Geringverdienende ist ein Anfang, wird dem Problem aber nicht gerecht. Uns schwebt stattdessen ein einmaliger Energie-Scheck vor, der über die Steuer ausbezahlt werden und nur bis zu einer bestimmten Einkommensobergrenze gewährt werden sollte. Damit werden breitere Bevölkerungsschichten unterstützt. Hinzukommen müssen eine höhere Mobilitätspauschale und ein Vorziehen von EEG-Entlastungen und des Klimagelds.

Die massiv steigenden Energiepreise treffen die meisten unserer Mitglieder zudem in ihren Betrieben. Denn der weit überwiegende Teil von ihnen arbeitet in energieintensiven Branchen, in der Produktion von Kupfer etwa, in der Chemieindustrie oder in der Glasherstellung. Pro Beschäftigten haben unsere Industrien gegenüber anderen Sektoren einen bis zu sechsmal so hohen Energiebedarf. Die gewaltigen Kostensteigerungen drohen damit für ganz Branchen ein ernsthaftes Problem zu werden.

Erste eindringliche Beispiele aus unseren Industriezweigen gibt es bereits: Glashütten, die die Produktion stilllegen, weil die Energiekosten den Umsatz übersteigen; Papierhersteller, die einst billig eingekauften Strom lieber mit hohem Gewinn an der Börse weiterverkaufen, statt ihn für die eigene Fertigung zu nutzen; Betriebe aus der keramischen Industrie, die kurzfristig keine kostendeckenden Gaslieferverträge mehr bekommen. Das können wir als IGBCE nicht hinnehmen. Wir müssen auch die energieintensive Industriearbeit vor dem Aus durch diese Marktverwerfungen bewahren. Unsere Forderung ist deswegen klar: Es braucht eine Deckelung des Industriestrompreises auf einem international ebenbürtigen Niveau. Das haben wir bereits vor der Bundestagswahl gefordert – und wir werden diese Forderung weiterhin mit Nachdruck in Berlin vertreten.

Was wir außerdem brauchen: viel mehr Strom und viel mehr Gas – und zwar alles, was wir kriegen können. Weil Industrie-, Verkehrs- und Gebäudesektor zunehmend über Strom betrieben werden müssen, steigt bis 2030 der Bedarf an gesicherter Kraftwerkleistung um gut ein Drittel. Gleichzeitig gehen in diesem Jahr die letzten Kernkraftwerke vom Netz und das Ende der Kohleverstromung soll auf 2030 vorgezogen werden.

Für uns ist klar: Um den Bedarf zu decken und Versorgungssicherheit zu gewährleisten, bleibt nur ein radikaler Ausbau von Gaskraftwerken, die langfristig auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Gas ist dabei eine unentbehrliche Brückentechnologie, es ist nicht weniger als die Verdopplung der heutigen Kapazitäten binnen acht Jahren notwendig. Das wäre der größte Zubau thermischer Leistung in der bundesdeutschen Industriegeschichte. Und der funktioniert nur unter den richtigen politischen Rahmenbedingungen.

Es ist deshalb richtig und wichtig, dass die EU-Kommission in ihrem finalen Vorschlag zur EU-Taxonomie die Auflagen für Gaskraftwerke gelockert hat. Der nun angenommene Rechtsakt sieht vor, dass Investitionen in neue Gaskraftwerke bis 2030 als nachhaltig gelten, wenn sie unter anderem schmutzigere Kraftwerke ersetzen. Erst ab 2035 müssen sie komplett mit klimafreundlicheren Gasen wie Wasserstoff betrieben werden. In dem ursprünglichen Entwurf war die Beimischung von klimafreundlichen Gasen schon früher vorgeschrieben gewesen. Der durch die Anpassung nun entstandene größere Spielraum macht Investitionen in deutsche Gaskraftwerke in den notwendigen Mengen wirtschaftlicher. Für die deutsche Klimawende, die Versorgungssicherheit und die energieintensiven Industriebranchen ist die Entscheidung deshalb ein gutes Signal.